Peter Kraus: „Ich bin selbst überrascht, dass ich schon 75 werde“

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Peter Kraus: „Ich bin selbst überrascht, dass ich schon 75 werde“

Kaum zu glauben, aber wahr: Peter Kraus wird am heutigen Dienstag 75 Jahre alt. Nach 60 Jahren im Rampenlicht will er zwar etwas kürzer treten, ans Aufhören denkt er aber noch lange nicht. Im Interview sprach die deutsche Rock'n'Roll-Ikone ausgelassen über Karriere, Skandale und seine All-Star-Band.

2014 ist für die deutsche Rock’n’Roll-Legende Peter Kraus ein einziges Fest: Heute wird er stolze 75 Jahre alt, steht seit nun mehr sechs Dekaden im Rampenlicht und ist seit 45 Jahren glücklich mit seiner Ingrid verheiratet. Grund genug, um sich auch musikalisch wieder zurückzumelden – am 21. März erscheint die neue Platte „Zeitensprung“. Mit der Nachrichtenagentur spot on news hat der gebürtige Münchner einen Blick zurück auf seine Karriere geworfen, über Skandale gesprochen und verraten, welche Musik-Legenden er sich zu seinem Geburtstag auf die Bühne wünscht.

Herr Kraus, alles Gute zu Ihrem 75. Geburtstag. Wie schaffen Sie es, in dem Alter noch so fit und dynamisch zu sein?

Peter Kraus: Danke! Vom Gefühl her war ich immer so. Ich bin selbst überrascht, dass ich schon 75 werde (lacht). Aber ich glaube es hängt damit zusammen, dass ich fast ausschließlich Sachen machen durfte, die mir Spaß gemacht haben. Ich bin mit meinem Leben zufrieden. Ich habe eine glückliche Ehe mit meiner Frau Ingrid, unser Sohn Mike war auch immer brav und anständig, hat uns nie Kummer bereitet. Finanziell hatte ich auch nie Schwierigkeiten. Kurzum: Das sind alles Dinge, die du einem im Gesicht ansiehst. Vielleicht war mein Leben nicht das aufregendste, es war aber ein sehr schönes.

Aufregend und schön zugleich wird es bestimmt heute Abend. Wie werden Sie Ihren Geburtstag feiern?

Kraus: Ich feiere in München ganz gemütlich beim Schuhbeck mit gutem Essen. Dazu habe ich ein paar Freunde und Bekannte eingeladen. Es kommen auch ein alter Schulfreund von mir und die Connie Froboess, die ich sehr schätze und mit der mich viel verbindet. Da freue ich mich einfach sehr, wenn ich die wieder sehe.

Wenn Sie sich ein Line-up zu ihrem 75. Geburtstag wünschen könnten – wer sollte für sie aufspielen?

Kraus: Eigentlich wäre ich ja am liebsten selber aufgetreten. Aber wenn ich mir eine Band zusammenstellen könnte, dann wäre das allerschönste, wenn auch bereits verstorbene Künstler dabei wären: Louis Armstrong an der Trompete, Elvis Presley, Bill Haley und Jerry Lee Lewis machen den Chor. Ella Fitzgerald und Louis Prima müssten auch dabei sein. Das waren so meine Helden. Das wäre eine tolle Band.

Ab Oktober gehen Sie nochmal auf große Tour. Sie haben gesagt, das wird Ihre Abschieds-Tournee, aber Konzerte werden Sie weiterhin geben, nur nicht mehr in solch großem Rahmen.

Kraus: Der Rahmen darf ruhig groß sein, ich gehe auch in ein Stadion (lacht). Aber nicht mehr 35 Mal hintereinander.

Sie wollen also nach über 60 Jahren auf der Bühne etwas kürzer treten.

Kraus: Richtig, etwas mehr Freizeit haben.

Wie sieht denn bei Ihnen die Freizeit aus?

Kraus: Ich bin ununterbrochen in Action (lacht). Ich habe so viele schöne Hobbys, ich habe ein schönes Haus und auch einen Weinberg. Gut, bis jetzt sind es nur so kleine Pflänzchen und die Hälfte ist schon wieder erfroren. Aber es ist ein schönes Projekt. Man hat etwas zu tun und es ist voraussichtlich eine vernünftige Geldanlage. Ich bin nicht mehr der Meinung, dass ich die Welt einreißen muss. Ich muss nicht mehr weiß Gott wohin fliegen, ich möchte einfach das, was ich liebgewonnen habe, genießen.

Was haben Sie liebgewonnen?

Kraus: Das wäre mein Wohnsitz am Luganersee, ich fahre nämlich sehr gerne Wasserski oder auch Ski in den Bergen. Und ich weiß eben, dass irgendwann der Tag kommen wird, wo ich all das aus irgendwelchen Gründen aufgeben muss. Irgendwann werde ich auch keine Autorallys mehr fahren, weil die Konzentration doch ein bisschen nachlässt. Das kommt auf mich zu, das ist mir klar. Deshalb will ich die Zeit nun noch ein bisschen dafür nützen. Auch mit der Familie natürlich.

Hat Ihre Familie während ihrer langen Karriere jemals gefordert, dass Sie kürzer treten sollen?

Kraus: Meine Frau sagt vor jeder Tournee: „Wie, du willst noch eine machen? Du weißt doch, dass das anstrengend wird.“ Das macht sie sehr diplomatisch. Aber jetzt hat sie scheinbar was bei mir erreicht (lacht). Aber sie weiß auch, dass mir ein richtiges Aufhören gar nicht bekommen würde. Da hätte sie vermutlich auch Angst, wenn sie mich permanent um sich hätte. Das ist ja auch das Schöne an dem Beruf, dass du nicht aufhören musst, wenn du erfolgreich bist. Und man sieht es ja, es hört so gut wie niemand auf.

Am 21. März bringen Sie mit „Zeitensprung“ Ihre neue Platte heraus, auf der Sie aktuelle Hits in die 1950er-Jahre transferieren. Wie kam es zu dieser Idee?

Kraus: Das Album wurde von den Produzenten von The Baseballs arrangiert. Ursprünglich sollten die jungen Rock’n’Roller diese Platte auch aufnehmen. Aber glücklicherweise kam einer auf die Idee, dass es da noch einen alten Rock’n’Roller aus der Zeit gibt, nämlich Peter Kraus. Da ich mich zu dem Zeitpunkt sowieso gerade gefragt hatte, mit was ich auf meine nächste Tour gehen könnte, kam mir dieses Angebot gerade recht. Außerdem ist die Idee wirklich toll.

Heino hat letztes Jahr eine ähnliche Platte herausgebracht. War das eine Inspiration?

Kraus: Nein, Heinos Platte kam heraus, als wir längst an dem Album gearbeitet hatten. Aber natürlich haben wir uns gefreut, dass das so ein Knüller wurde. Auf der anderen Seite wäre es mir natürlich auch ohne Heino lieb gewesen. Ganz zu vergleichen sind die Platten aber sowieso nicht. Natürlich haben auch wir gecovert, logisch, aber wir sind einen Schritt weiter gegangen: Wir haben nämlich die Nummern völlig geändert.

Glauben Sie, dass Sie einen ähnlichen Erfolg wie Heino erzielen können? Der war mit seinem Cover-Album „Mit freundlichen Grüßen“ immerhin auf Platz eins der Charts.

Kraus: Das kann man zuvor nie sagen. Der Heino ist für ausgefallene Sachen immer gut. Das hat er schon ein paar Mal bewiesen. Durch seine Verkleidung und den Ring hat er das effektvoll durchgezogen – das machen wir natürlich nicht. Wir sehen das als reine musikalische und hoffentlich gut gemachte Platte an. Mein Album ist nicht so provokativ wie Heinos‘, wo auch die „Bild“-Zeitung gleich eingestiegen ist. Das hat mir schon gut gefallen, wie er das gemacht hat. Das ist eben Heino.

Gab es ähnlich wie bei Heino kritische Stimmen zu ihrer Platte?

Kraus: Nein! Ich erhoffe mir natürlich, dass die Platte große Aufmerksamkeit erregt. Aber eher in dem Sinne, auch in Zukunft mit anderen Künstlern zusammenarbeiten zu können. Das habe ich bisher mein ganzes Leben lang versucht – das ist aber sehr schwierig. Es gibt so viele verschiedene Musiksparten und jede einzelne nimmt sich unheimlich wichtig. Dabei wird vergessen, dass wir doch eigentlich alle gemeinsam Musik machen und sonst gar nichts (lacht).

Lassen Sie uns auf Ihre Anfänge zurückblicken. Sie wurden damals deutscher Elvis Presley genannt. Fluch oder Segen?

Kraus: Das war für den Anfang wirklich großes Kapital. Auch wenn Elvis zunächst gewiss kein Traumgott war. Der wurde anfangs runtergemacht: Da hatte der Spiegel geschrieben „Zitterrochen“, der macht unmoralische Bewegungen mit der Hüfte, kann nicht singen, Gitarre spielen kann er schon gleich gar nicht. Die Medien und vor allem die Radiostationen gingen regelrecht auf Elvis los. In München gab es einen Werner Götze im Radio, der hat dann immer die Vinyl-Platten vor dem Mikrofon zerbrochen und gesagt: „Das brauchen wir nicht!“ Heute spricht man über Elvis natürlich ganz anders. Mir hat es damals Spaß gemacht, mich mit meiner Musik durchzusetzen.

„Durchsetzen“ ist auch genau das richtige Stichwort für Ihre Karriere: Beflügelt vom Erfolg von „Das fliegende Klassenzimmer“ haben Sie sich als junger Mensch Ihren Werdegang sukzessive selber aufgebaut. Heute gibt es den schnellen Weg über Casting-Shows. Hätten Sie an so einem Format teilgenommen?

Kraus: Nein, sonst hätte ich auch meinem Sohn geraten daran teilzunehmen – und ich hab ihm dringend abgeraten. Wer heute einmal erfolgreich einen Ton herausgelassen hat, dem wird gleich ein komplettes Team gestellt – vom Stylisten bis hin zu Beratern und Bodyguards. Aber es geht in diesen Formaten nicht darum, langfristige Idole hervorzubringen, es ist eine Unterhaltungsshow, die Spaß machen soll. Aber die Leute, die damals entdeckt wurden – beispielsweise Tom Jones – die hatten alle Persönlichkeit und haben an ihrem eigenen Stil gearbeitet.

Sie waren damals auch eine dieser Persönlichkeiten, galten als Teenie-Idol. Die Mädels lagen Ihnen zu Füßen. Trotzdem sind Sie bald seit 45 Jahren verheiratet. Wie konnten Sie die Treue halten?

Kraus: Es stimmt, 80 Prozent meiner Platten kauften Frauen. Aber es ist ganz einfach: Das eine ist Beruf und das andere ist Privatleben. Und wenn du in so einer Situation bist, dass du verehrt wirst, dann gibt es zwei Möglichkeiten: Du nützt es aus und hast deinen Spaß dran, oder du sagst dir, das ist mir zu simpel, ich will lieber um eine Frau kämpfen. Ich war hinter jedem Rock her, bei dem ich das Gefühl hatte, die mag weder mich noch meine Musik. Das fand ich einfach toll.

Mochte Ihre Frau also Ihre Musik oder Sie nicht?

Kraus: Sie mochte meine Musik nicht! Aber ich habe damals Theater in Wien gespielt und das hat sie begeistert. Meine Frau ist auch aus einem sehr guten Haus und ihre Eltern dachten sich damals nur: „Um Gottes Willen, ein Rock’n’Roller“ (lacht).

Haben Sie auch mit den Klischees des typischen Rock’n’Rollers gespielt?

Kraus: Diese Klischees sind eigentlich erst in den 1960er-Jahren entstanden. Die sind nicht mit dem Rock’n’Roll erfunden worden. Ich kann mich erinnern, dass Elvis mal mit einem Cadillac vorgefahren ist, dahinter ein zweiter, in dem nur seine Gitarre war. Da dachten alle, jetzt ist er komplett durchgedreht. Das waren die Gags, die gerade so erlaubt waren. Auch lange Haare waren damals schon Provokation genug. Mehr gab es da noch nicht. Die richtig wilden Geschichten kamen erst später. Es gibt ja auch die Geschichte von Mick Jagger – ich weiß nicht ob sie stimmt – der soll mal um drei Uhr nachts sein Hotelzimmer verlassen haben, um dann um vier Uhr morgens einen Besoffenen zu spielen der nach Hause kommt und das Hotelzimmer verwüstet. Aber das gab es bei mir nie, dass ich einen Fernseher durch das Fenster geworfen hätte.

Heutzutage muss man nicht mal mehr Rock’n’Roller sein, um Skandale zu liefern.

Kraus: Das hat sich eben dadurch ergeben, dass man plötzlich auch mit Negativ-Schlagzeilen Promotion machen kann. Und jetzt eskaliert das ein bisschen. Das ist traurig. Mich berührt das schon, wenn so junge Typen wie Justin Bieber scheinbar völlig aus der Bahn geraten. Aber es ist eben eine Konsequenz daraus, dass vielen egal ist, wie sie Aufmerksamkeit von der Presse bekommen.

Was waren denn Ihre größten Skandale?

Kraus: (lacht) Einer meiner größten Skandale war, dass ich früher mal in Stuttgart in einem Hotel falschherum auf einem Stuhl gesessen habe. Der Besitzer hat mich daraufhin rausgeworfen – wahrscheinlich wollte er mit seinem Hotel einfach nur in die Zeitung kommen. Aber das hatte auch nur eine Lokalzeitung abgedruckt und sonst hatte das niemanden interessiert. Ein anderes Skandälchen hatte ich in Wien: Damals holte ich für meine erste Fernsehsendung Connie Francis vom Wiener Flughafen ab. Zur Begrüßung gab ich ihr einen Wangenkuss und hatte dabei meine rechte Hand in der Hose. Das war ein riesen Skandal: „Peter Kraus holt amerikanischen Teenie-Star ab, mit der Hand in der Hosentasche“ (lacht).

Sie sind sozusagen skandalfrei. Wie geht das in solch einer langen Karriere?

Kraus: Ganz einfach: In meiner Jugend war keiner scharf auf Skandale. In den 1950er-Jahren steckte noch immer das Grauen des Zweiten Weltkriegs in den Leuten. Da wollte man sowas nicht. Das sieht man auch an den Filmen. Die waren so übertrieben in ihrer Fröhlichkeit, weil der Wunsch, so etwas zu erleben, viel größer war. Und später, als Skandale bei der Presse populär waren, da hatte ich keine Lust mehr auf sowas, weil da ich verheiratet war (lacht). Von dem her ist für mich alles glücklich gelaufen. Ich bin rückblickend auch froh, dass ich meine Karriere eigentlich nur mit meinem Tun am Laufen gehalten habe und nicht mit irgendwelchen Schlagzeilen.

Was Ihnen bestimmt viele Sympathien gebracht hat.

Kraus: Ja, das Gefühl habe ich schon. Und diese Sympathien sind beständiger als irgendwelche momentanen Highlights. Ich bekomme noch heute viele Briefe, in denen sich Leute bei mir bedanken, dass ich sie über 50 Jahre unterhalten habe. Sowas freut mich sehr.