Lena Meyer-Landrut: „Ich handle heute bedachter als früher“

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Lena Meyer-Landrut: „Ich handle heute bedachter als früher“

Vor fünf Jahren gewann sie den ESC. Es folgten Alben, Shows und Blitzlichtgewitter. Heute klingt Lena Meyer-Landruts Musik anders als früher, auch sie persönlich hat sich verändert. Inwiefern die Öffentlichkeit beim Erwachsenwerden stört, erklärt die Sängerin im Interview.

Zurück auf der Bildfläche: Lena Meyer-Landrut hat ein neues Album. Unterstützung bekam sie dabei von Produzenten, die zum Beispiel schon mit Ellie Goulding oder Sia zusammengearbeitet haben. „Ich wollte Musik machen, mit der ich mich wohlfühle, die ich auch selber gerne höre“, sagt sie im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news. Der Sound von „Crystal Sky“ klingt anders, elektronischer als früher. Auch Lena selber hat sich seit den letzten Alben verändert. Die einstige ESC-Gewinnerin erzählt, wie sich die Öffentlichkeit auf das Erwachsenwerden ausgewirkt hat und warum Kritik im Internet meist nicht konstruktiv ist.

Neben Berlin haben Sie auch in Los Angeles und London an dem neuen Album gearbeitet. Wie viel L.A. hört man in der neuen Platte?

Lena Meyer-Landrut: Es hört sich dadurch wahrscheinlich nicht so deutsch an. Vor allem bin ich aber dort hingefahren, um auf einem neuen, unbeschriebenen Blatt anzufangen. In Deutschland betrete ich einen Raum, in dem deutsche Leute sitzen, die mich kennen und wissen was ich gemacht, welche Stimme ich habe, was in den Medien über mich berichtet wurde. In L.A. ist das anders, man kommt in den Raum und stellt sich einfach vor, dann wird Musik gemacht. Die Leute sind unvoreingenommener als das vielleicht hierzulande der Fall wäre.

Das neue Album heißt „Crystal Sky“ – wie kam es zu dem Namen?

Meyer-Landrut: In einem Song geht es um den Wunsch danach, in bestimmten Situationen auf einem unbeschriebenen Blatt von vorne anzufangen. Wenn man bei einem Streit zum Beispiel Sachen sagt, die man nicht so meint, dann möchte man manchmal gerne, dass frischer Schnee darüber fällt und es von vorne losgeht. Unsere Assoziation war eben ein „Crystal Sky“, ein Himmel, der unberührt ist.

Das ist Ihr viertes Album – was denken Sie selber heute über ihre älteren Sachen?

Meyer-Landrut: Die ersten zwei Alben sind beide sehr schnell und aus einem bestimmten Grund passiert – für den ersten und den zweiten Eurovision Songcontest. Beim dritten Album habe ich bereits angefangen, mitzuschreiben und mir Gedanken gemacht, in welche musikalische Richtung es gehen soll. Das war dann schon eher „ich“. Beim neuen Album hat sich das verstärkt. Ich mache jetzt die Musik, die zu der Person passt, die ich jetzt bin.

Fragen Sie sich manchmal Dinge wie: Was habe ich mir bei diesem Song gedacht? Oder kommen auch schöne Erinnerungen zurück?

Meyer-Landrut: Das ist Vergangenheit. Das ist alles passiert und auch gut so. Ich bereue nichts. Aber klar denke ich mir: Diese Art von Musik würde ich heute nicht mehr machen. Aber damals war das gut so, ich wüsste nicht, was ich hätte anders machen sollen.

Wie hat Sie diese Zeit in der Öffentlichkeit persönlich verändert?

Meyer-Landrut: Es ist nicht so sehr der Beruf, das Älterwerden an sich hat mich auf eine bestimmte Art und Weise verändert. Als ich angefangen habe, war ich 18, jetzt bin ich 23. Das ist eine Phase im Leben, in der man sich viel verändert, immer wieder Neues ausprobiert. Man wird erwachsen. Auch ich bin erwachsener geworden, handle heute zum Beispiel bedachter als früher.

Stört die Öffentlichkeit beim Erwachsenwerden?

Meyer-Landrut: Ich lasse es einfach nicht zu, dass Leute mich daran hindern, mich zu verändern. Es ist aber in der Tat schwerer, sich in der Öffentlichkeit zu verändern, weil die Menschen alles, was man macht, bewerten oder verurteilen. Doch man darf nicht aufhören, das zu machen, was man selber für richtig hält.

Künstler haben heute die Möglichkeit via Twitter und Facebook selber an die Öffentlichkeit zu treten. Was bedeuten Ihnen diese Optionen?

Meyer-Landrut: Facebook betreibe ich gezwungenermaßen, nicht privat. Ich mache es aber natürlich trotzdem gerne, weil die Fans so dankbar dafür sind. Das ist einfach die Generation: hundert Mal am Tag checken, Dinge liken, so läuft das nun mal. Ich persönlich finde es allerdings auch schwierig, weil dort oft so viel Hass transportiert wird. Ich lese mir diese Kommentare nicht durch, denn es ist schlecht für die Seele.

Warum?

Meyer-Landrut: Das Problem ist nicht, dass zwei Leute dich hässlich finden. Man wird teilweise aufs Übelste beschimpft. Das kommt daher, dass im Internet diese Anonymität herrscht. Vielleicht hatte jemand einen schlechten Tag und lässt das dann an irgendwelchen Fotos aus. Ich bin eine Person des öffentlichen Lebens und jeder hat das Recht, seine Meinung über mich auch auszusprechen. Das soll jeder machen, wie er gerne möchte, aber ich ziehe mich da raus. Diese böse Energie ist schlecht für einen selbst.

Ein viel diskutiertes Thema: Ist die Anonymität der Grund für diesen Hass?

Meyer-Landrut: Ja, das denke ich schon. Wenn mir jemand im Internet schreibt, dass er mich total blöd, hässlich und eingebildet findet, trifft mich das. Wenn ich genau dieser Person aber persönlich über den Weg laufen würde, dann würde sie sich niemals trauen, das zu sagen. Die Angst vor einer wirklichen Resonanz wäre zu groß. Im Internet gibt es die so nicht. Dort trifft man auf Menschen, die dich dann entweder blöd finden oder dir komplett nach dem Mund reden. Man ist einfach anonym und kann sagen, was man möchte, ohne dafür „bestraft“ zu werden. Es gibt keine persönliche Konfrontation.

Es ist aber nicht alles schlecht, was die Leute so schreiben…

Meyer-Landrut: Nein, aber ich lese auch nicht alle positiven Sachen. Sonst wäre man auch realitätsverstrahlt. Ich versuche allgemein, die Kommentare nicht zu ernst zu nehmen. Genauso wie den schlechten gibt es auch den guten Hype. Beides tut der Seele nicht sonderlich gut.

Und auf welches Feedback verlassen Sie sich dann? Wessen Meinung zählt?

Meyer-Landrut: Die von Freunden und Familie. Das sind Menschen, die mich kennen und wissen, was ich mir bei verschiedenen Dingen gedacht habe oder wie es mir geht. Menschen, die meinen Gemütszustand einschätzen können und mir so eine wirkliche Resonanz geben können. Wenn mir jemand dann sagt, dass etwas nicht so gut war – darauf lege ich Wert und denke auch darüber nach.