„Justin Bieber dreht gerade völlig durch“

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„Justin Bieber dreht gerade völlig durch“

Jörg Koshorst und Brix zählen zu den Köpfen hinter dem Crowdfunding-Label Musicstarter. Im Interview erklären die Experten, wie ihr Projekt funktioniert, warum Helene Fischer so erfolgreich ist, ob Conchita Wurst eine große Karriere vor sich hat und was es mit dem Verhalten von Justin Bieber und Miley Cyrus auf sich hat.

Mit musicstarter.de ist gerade Deutschlands erste Crowdfunding-Plattform, die gleichzeitig ein professionelles Musiklabel ist, an den Start gegangen.
Dahinter stehen Experten wie Brix – auch bekannt als Co-Juror von Samu Haber in „The Voice of Germany“ – und der ehemalige Universal-Musikmanager Jörg Koshorst. Im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news erklären die beiden, wie ihr neues Projekt funktioniert, warum Helene Fischer so erfolgreich ist und wie sie sich das Verhalten von Miley Cyrus und Justin Bieber erklären.

Sie haben gerade mit Ihrem neuen Crowdfunding-Label Musicstarter losgelegt. Wie kam es zu der Idee?

Jörg Koshorst: Das resultiert aus zwei Entwicklungen. Einmal hat sich herausgestellt, dass sich Crowdfunding als Tool für Newcomer gut entwickelt hat. Die Leute mögen die Form der Präsentation und sind bereit, die Künstler zu unterstützen. Und zweitens unsere Erkenntnis als Plattenfirma, dass es in Deutschland immer weniger mediale Plätze für Newcomer-Musiker gibt. Wir wollen dem mit unserem Portal entgegentreten, das beides verbindet: Crowdfunding für Musikfans und eine professionelle Betreuung für die Nachwuchskünstler.

Was sollte ein Künstler, der sich auf Ihrer Seite bewirbt, neben musikalischem Talent noch mitbringen?

Koshorst: Musikalische Eigenständigkeit ist durch nichts zu ersetzen. Im Fall von Crowdfunding und Musicstarter ist aber auch eine gewisse Online-Kommunikationsstärke wichtig. Wer introvertiert für sich selbst im Proberaum seine Songs schreibt und diese irgendwann präsentieren möchte, hat es schwer. Es geht darum, die Fans der ersten Stunde emotional einzubinden und zu unterhalten – über Facebook, Twitter und Musicstarter-Blogeinträge.

Die Fans werden auch „hautnah“ an den Produktionen beteiligt, heißt es bei Ihrem Label.

Koshorst: Theoretisch hat jeder Künstler über seinen Musicstarter-Blog die Möglichkeit, seine Fans einzubinden. Er kann zum Beispiel festlegen, dass nur diejenigen seine Beiträge sehen, die schon mal Geld gegeben haben. Er kann die Fans auch auffordern, Feedback zu seinen Songs zu geben, sich einzubringen.

Wie läuft die Unterstützung der Fans?

Koshorst: Das Crowdfunding, das wir anbieten, ist relativ klassisch. Man bekommt für eine gewisse Geldleistung ein Dankeschön. Für 25 Euro zum Beispiel könnte es eine signierte Deluxe-CD geben. Für 1000 Euro könnte man sich schon ein Konzert im heimischen Wohnzimmer wünschen.

Wie sieht der Weg von der Bewerbung bis zum möglichen Album bei Musicstarter aus?

Koshorst: Auf musicstarter.de gibt es eine Maske, durch die sich Künstler sehr einfach bewerben können, indem sie Links zum Beispiel auf Online-Videos oder Youtube eingeben. Oder aber sie schicken eine MP3 per E-Mail. Wir hören uns das an und wenn wir eine gewisse Grundqualität, die wir schon haben wollen, erkennen, werden wir uns melden und besprechen, wie es weitergeht.

Eine, die den Durchbruch schon geschafft hat, ist Helene Fischer. Woher kommt ihr Erfolg?

Brix: Helene ist eine tolle Sängerin und sieht fantastisch aus. Ihr Erfolg kommt nicht von irgendwoher: Sie arbeitet schon seit zehn Jahren an ihrer Karriere und hatte dieses Jahr mit ihrer neuen Platte noch einen großen Hit, auf den sich offensichtlich alle einigen konnten. So entstehen große Karrieren: durch Fleiß, Kontinuität und viel Talent.

Ist gutes Aussehen eine Voraussetzung, um im Musik-Business erfolgreich zu sein?

Brix: Nein! Es spielt natürlich in bestimmten Bereichen und Genres eine Rolle. Wenn Justin Bieber aussehen würde wie ein Schluck Wasser in der Kurve, hätte er sicher ein paar Fans weniger. Aber die größten Künstler der vergangenen 20 Jahre waren keine Supermodels, zum Beispiel Adele oder Amy Winehouse. Da stehen die Musik und die Stimme im Vordergrund.

Auch andere Schlager-Stars sind im Moment sehr erfolgreich. Woher kommt der Schlager-Boom?

Koshorst: Schlager ist ein deutsches Kulturgut, mit dem wir alle aufgewachsen sind. Aktuell haben wir zudem Ausnahme-Interpreten wie Helene Fischer im Schlager-Bereich. Was gerade passiert, ist, dass sich Musik-Fans frei machen. Wer am Freitagabend Helene Fischer hört und auf eine Schlager-Party geht, besucht am Samstag ein Konzert der Kings of Leon. Das hat sich alles vermengt, ist extrem entspannt und frei geworden. Nur in den Medien ist das nicht angekommen, da gibt es immer noch ein Schubladen-Denken. Wir machen mit Musicstarter auch ein Mainstream-Portal, auf dem alles stattfinden kann – theoretisch vom Schlager bis Metal.

Eine schillernde Gestalt ist die ESC-Gewinnerin Conchita Wurst. Glauben Sie, dass sie richtig Karriere machen wird?

Brix: Auf rein musikalischem Gebiet ist das aus meiner Sicht eher schwierig. Das muss man abwarten, ich kann es mir aber nicht vorstellen. Auch die Sieger-Single „Rise like a Phoenix“ war nicht besonders nachhaltig. Ich glaube, dass sie eher Kunst-übergreifend in Musik, Mode und Lifestyle stattfinden wird. Da gibt es eine gewisse Ikonisierung.

Sinead O’Connor hat zuletzt beklagt, dass sich junge Musiker wie Miley Cyrus zu sehr über Sex verkaufen.

Brix: Das kann eine Strategie sein und liegt immer in der Entscheidung der Künstler und deren Umfeld. Miley Cyrus ist sicherlich ein Extrembeispiel, für mich ist sie ein bisschen die Kopie der Madonna von vor 20 Jahren. Die hat das auf ähnliche Weise gemacht, vielleicht noch ein bisschen subtiler.

Koshorst: Das ist ein immer wieder kehrendes Muster, Madonna ist das Role Model. Vor Miley Cyrus hat das beispielsweise schon Britney Spears gemacht. Um ein Teenie-Image abzustreifen, stellen sie sich erotisierend dar. Nach drei, vier Jahren mit relativ wenig Bekleidung werden sie dann wieder seriöser. Im digitalen Zeitalter mit Twitter, Instagram und Co ist alles sehr schnelllebig und jeder bekommt alles sofort mit. Miley Cyrus hat eine gewisse Bekanntheit und kann ihre Skandale gut planen. Wenn man das aber nicht mit einer gewissen künstlerischen Qualität unterlegen kann, stumpft es ab. Auch die Songs müssen funktionieren, sonst wird man vielleicht eine bekannte Persönlichkeit, aber verkauft keine Platten. Lady Gaga zum Beispiel hatte ein Album mit vielen Hits, das sich rekordverdächtig oft verkauft und sie zum Mega-Star gemacht hat. Dann folgte ein Album mit nicht wirklich guter Musik, das sich auch weniger gut verkauft hat. Sie ist zwar nach wie vor bekannt, aber die Musikverkäufe und die Bekanntheit laufen nicht immer parallel zueinander.

Auch Justin Bieber macht mehr durch Skandale und weniger durch Hits auf sich aufmerksam.

Brix: Bei Justin Bieber kann man nur hoffen, dass er sich jetzt irgendwann mal fängt. Der dreht gerade völlig durch. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das auf Dauer gesund ist. Ich habe bei ihm ein bisschen Angst, dass er völlig abstürzt. Er scheint die Wahrnehmung der Realität verloren zu haben und wirkt unfassbar arrogant. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das auf Dauer funktioniert.

Koshorst: Das ist auch nicht das Model, das wir auf Musicstarter verfolgen. Wir wollen nachhaltig Talenten eine Chance geben. Wenn Teenager wie Justin Bieber so einen Status erlangen und damit erwachsen werden, ist das sicherlich nicht einfach. Aber bei Robbie Williams war es auch so und es sah lange nicht so aus, als würde er es zurück schaffen. Am Ende ist die Musik des Künstlers aber doch entscheidend.

In Deutschland sind Castingshows immer noch sehr beliebt. Würden Sie jungen Künstlern raten, ins Fernsehen zu gehen?

Brix: Das kommt darauf an, wo der Künstler herkommt. Wenn man seit Jahren eine eigene Band hat und dafür Songs schreibt, ist es sicher nicht notwendig, sich über eine Castingshow zu etablieren. Wenn man Solokünstler ist und eine tolle Stimme hat, dann ist es legitim, es über eine der Shows zu probieren. Es kommt aber auch auf das Format an. Wer zu „DSDS“ geht, sollte sich darüber im Klaren sein, dass er in einer Show ist, in der es mehr um die Unterhaltung und weniger um die Musik geht. Andere Shows wie „The Voice“ kümmern sich eher um die Musik und weniger um den Trash-Faktor.

Koshorst: Eine Castingshow ist ein Produkt des Fernsehens. Der Sender stellt das Format her und bringt die Leute ins Rampenlicht, das Interesse ist dabei vordergründig die Einschaltquote, vor allem dann, wenn es Privatfernsehen ist. Dessen müssen sich die Teilnehmer bewusst sein. Alles, was danach kommt, vielleicht ein Album des Künstlers, ist für den Sender weniger bedeutend.

Woran liegt es, dass keiner der Castingshow-Sieger auf Dauer Erfolg hat?

Brix: Die werden relativ schnell an die Spitze gejagt, das ganze Umfeld ist aber meist noch nicht so weit. Sie gehen mit wenig Erfahrung in die Sendung, marschieren durch, gewinnen die Show und stehen dann ein bisschen alleine da. Beispiele aus anderen Ländern zeigen aber, dass solche Künstler auch auf lange Zeit funktionieren können. Die hatten allerdings schon Erfahrung und kamen aus einem gefestigten Umfeld.

„DSDS“ hatte zuletzt auch mit schwächeren Quoten zu kämpfen. Läuft sich das System Dieter Bohlen bald tot?

Brix: Das glaube ich eher nicht. Sie haben immer noch eine beeindruckende Quote und solange das so ist, wird der Sender nicht davon abweichen. Mit „Rising Star“ gibt es bei RTL bald aber ein neues Format. Wenn diese Sendung gut funktioniert und bei 7, 8 oder 9 Millionen landet, wird es für „DSDS“ sicher schwer.