Judith Holofernes: „Muss! Musik! Machen!“

Magazin

Judith Holofernes: „Muss! Musik! Machen!“

Ihre liebsten Freizeitbeschäftigungen sind daran schuld: Judith Holofernes singt wieder. Ab sofort ist die als Frontfrau von Wir sind Helden bekannt gewordene Sängerin auf ihrem zweiten Solo-Album "Ein Leichtes Schwert" zu hören. Im Interview erklärt sie unter anderem, weshalb sie es nicht ohne Musik aushält.

Nach zwölf umtriebigen Jahren mit ihrer Band Wir sind Helden gönnte sich Frontfrau Judith Holofernes (37) eine Schaffenspause. Diese währte allerdings nur kurz, mittlerweile hat sie ihr zweites Soloalbum „Ein Leichtes Schwert“ fertiggestellt, welches am Freitag erscheint.
Im Interview mit spot on news spricht die zweifache Mutter unter anderem über die vergangenen zwei Jahre, ein virtuelles Treffen mit Christoph Waltz und die fünf besten Momente in ihrem Leben.

Wie unterscheidet sich die Judith Holofernes von heute von der, die am 4. April 2012 eine Pause mit ihrer Band Wir sind Helden eingelegt hat?

Judith Holofernes: Ich bin deutlich besser gelaunt! Insgesamt fühle ich mich viel freier. Ich habe das Gefühl, dass ich heute viel mehr aus dem Bauch heraus entscheiden kann, sehr viel mehr Klarheit habe und besser für das einstehen kann, was mir wichtig ist.

Wenn Sie auf die harte Zeit bei Wir sind Helden zurück schauen, unterwegs mit zwei Kindern, würden Sie heute alles noch einmal genauso machen?

Holofernes: Hmm, bei klarem Verstand wahrscheinlich nicht. Auf der anderen Seite bin ich froh, dass wir es so gemacht haben, sonst wären zwei Heldenplatten nie entstanden, die ich beide sehr mag. Es war für mich sicher nicht besonders gesund, so lange an diesem zugegebenermaßen absurden Unterfangen festzuhalten – aber wer sagt, dass man immer gesunde Entscheidungen treffen muss? Die gute Seite, das, was mir lieb und teuer war, hat eben überwogen, ich habe sehr an dieser Band gehangen und alles reingegeben, um sie zu erhalten. Nach zwölf Jahren erstmal aufzuhören, fühlt sich völlig in Ordnung an, auch wenn es schwer genug war. Nach Sechs oder fünf Jahren hätte es mir ziemlich buchstäblich das Herz gebrochen.

Ihr Album heißt „Ein Leichtes Schwert“. Ist das ein Appell, alles einfach mal lockerer angehen zu lassen?

Holofernes: Ein leichtes Schwert muss man auf jeden Fall tänzerisch führen, locker aus dem Knie, sozusagen! Trotzdem schlägt oder sticht es treffsicher zu, wenn man es braucht. Ein Schwert zu führen bedeutet für mich aber nicht nur Kampf, sondern ist auch ein Symbol für Klarheit, Energie, Schlagkraft, generellen Wumms.

Wie vermeiden Sie, dass bei Ihnen im Alltag zu viel Stress aufkommt?

Holofernes: Ich habe gemerkt, dass es für mich sehr wichtig ist, wie ich die Dinge mache, die ich mache. Ich kann sehr viel Energie mobiliseren, wenn ich begeistert von etwas bin, ich kann Arbeiten wie im Rausch. Ich habe aber auch gelernt, die Flauten genauso zu akzeptieren, und nicht dagegen anzukämpfen, wenn ich gerade keine Energie zum Arbeiten habe. Dann gehe ich lieber Spazieren oder tanze durch meine Wohnung. Oder gucke eine alberne Serie. Ich weiß, das provoziert bei vielen Leuten Gedanken wie: Jaaaa, wenn das jeder könnte, du als Künstlerin… Aber erstens habe ich als Künstlerin weitaus mehr Arbeit und auch ganz konventionelle Fleiß- und Schreibtischarbeit, als die meisten Leute denken. Und außerdem bin ich fest davon überzeugt, dass jedes Berufsfeld davon profitiert, wenn die Leute nicht gegen ihren eigenen Körper und ihren Geist arbeiten müssen. In anderen Ländern gibt es in großen Firmen Mittagsschlafräume, Tai Chi Mittagspausen, und es guckt keiner komisch, wenn man mitten in der Arbeit aufsteht und sagt: Ich geh mal eine Runde um den Block. Richtig interessant würde es dann werden, wenn man sagen könnte: Da kommt heute nichts, ich gehe lieber wieder nach Hause.

Apropos Serien: Welche sind denn Ihre Favoriten und warum?

Holofernes: Oh, da machst du ein Fass auf! Don’t tempt the nerd. Haha. Also. Oh weia. Comedy: „Black Books“ wegen des fantastischen Comedians Dylan Moran, „30 Rock“ wegen der großartigen Tina Fey, „The Office UK“ wegen dem zehennägelhochklappenden Fremdschämvergnügen und wegen Ricky Gervais. Drama: „House MD“, „Madmen“ und „Homeland“. Diese Serien haben einfach ganz andere erzählerische Möglichkeiten als selbst die besten abendfüllenden Kinofilme – und die Besten holen aus diesen Möglickeiten dann auch noch das Beste raus.

Angenommen, Sie könnten sich selbst in einem Virtual-Reality-Spiel spielen; gegen wen würden Sie dort gerne mit einem Schwert kämpfen?

Holofernes: Christoph Waltz! Wahrscheinlich würde ich aber einfach mit offenem Mund stehen bleiben, das Schwert fallen lassen und applaudieren. Zack – tot.

Obwohl Sie ursprünglich die Musik ruhen lassen wollten, haben Sie doch wieder damit angefangen. Halten Sie es ohne Musik einfach nicht aus?

Holofernes: Ohne Musik zu hören, auf Konzerte zu gehen – ganz sicher nicht. Ich habe aber nicht wieder mit der Musik angefangen, weil es mir in den Monaten davor langweilig geworden wäre. Es ist einfach so, dass meine liebsten Freizeitbeschäftigungen auch die sind, die dazu führen, dass ich selbst wieder Musik machen möchte. Oder muss! Ich gehe von einem tollen Konzert nach Hause und bin völlig beseelt davon, wie fantastisch Musik an sich ist. Ich bin dann wie ferngesteuert: Muss! Musik! Machen!

Sie haben auch für Maxim geschrieben. Wird man in Zukunft auch Songs anderer Künstler aus ihrer Feder hören oder behalten Sie alle Songs erstmal für sich?

Holofernes: Ich glaube, für andere Leute komplette Songs zu schreiben, ist gar nicht so sehr mein Ding… Ich schreibe gerne mit Leuten zusammen, so wie mit Maxim. Das hat mir sehr viel Spaß gemacht, aber vor Allem, weil er selber viel mitbringt und auch alleine tolle Texte schreiben kann.

Die neuen Songs von Judith Holofernes hören Sie auch auf deluxemusic.tv!

Sie haben in einem Interview gesagt, die Album-Aufnahmen zu „Ein Leichtes Schwert“ gehören zu den Top-Fünf-Zeiten Ihres Lebens. Was sind die anderen vier, was steht ganz oben?

Holofernes: Die Zeit, als ich herausgefunden habe, wie viel Spaß man – als dem anderen Geschlecht zugewandter – Teenager hat, wenn man an Lagerfeuern Gitarre spielen kann. Die euphorischen Anfänge mit Wir sind Helden. Die Geburten meiner Kinder. Das Freiheitsgefühl in der Pause nach den Helden, mit viel Nichtsnutzigkeit und Musik und Tiergedichten.

Was bringt Sie zum Lachen und wie oft müssen Sie über sich selbst lachen?

Holofernes: Glücklicherweise: sehr vieles. Und: sehr oft. Ich denke, das ist eine meiner nützlichsten Fähigkeiten: ich bin sehr leicht zu amüsieren. Ich lache über lustige Wörter, alberne Komödien, lebensunfähig aussehende Tiere, und darüber, was wir Menschen alles so machen. Ich habe so einen leicht zoologischen Blick auf menschliches Verhalten, das macht vieles lustiger.

Sie und Eheman Pola wurden schon als „Tatort“-Kommissare vorgeschlagen. Gäbe es irgendeine Rolle, die Sie gerne mal im Fernsehen spielen wollen würden?

Holofernes: Darüber habe ich zum Beispiel sehr gelacht! Ich bin aber großer „Tatort“-Fan, insofern habe ich mich auch sehr geehrt gefühlt. Aber in Wirklichkeit fühle ich mich nicht besonders zur Schauspielerei hingezogen, ich glaube auch nicht, dass ich das gut könnte.

Obwohl Sie erst einen Roman schreiben wollten, haben Sie in ihrem Blog scheinbar ihre Heimat als Autorin gefunden – wie kam es dazu?

Holofernes: Ich habe in der Pause gemerkt, dass das Bedürfnis, mehr und konstanter zu schreiben, mindestens genau so groß war, wie das Bedürfnis, mal gar nichts zu machen. Durch den Erfolg der Band blieb teilweise erschreckend wenig Raum für das Machen an sich, also für den Inhalt, das, was mir eigentlich am Nächsten liegt. Der Blog ist für mich ein Zuhause für den ganzen Quatsch, der mir den lieben langen Tag durch den Kopf trappst. Mein eigener Nichtsnutzsalon.

Wie kamen Sie auf die Idee der Tier-Gedichte?

Holofernes: Tiergedichte haben mich begleitet, seit ich lesen kann. Ich liebe die Tiergedichte von Robert Gernhardt, Christian Morgenstern und Heinz Erhardt. Den Ausschlag hat für mich aber eine Veranstaltung von Freunden gegeben: Ich war als Gast bei einem Konzert der Höchsten Eisenbahn eingeladen und sollte irgendwas machen auf der Bühne. Da war ich frisch in der Pause, wollte natürlich keine Heldenlieder spielen und hatte noch nichts Neues vorzuweisen. Da habe ich das Publikum aufgefordert, mir Tiere zuzurufen und über die habe ich dann innerhalb von drei Minuten ein Gedicht geschrieben, während die Höchste Eisenbahn ein Lied gespielt hat.

Werden Sie auf Ihrer eigenen Tour ausschließlich Ihre Songs singen, oder dürfen sich die Fans auch auf andere Elemente freuen, in etwa Lyrik-Vorträge?

Holofernes: Ich muss ja irgendwie einen ganzen Abend vollkriegen, und Helden-Songs zu spielen, würde sich sehr seltsam anfühlen. Da werde ich schon die eine oder andere Überraschung aus dem Hut ziehen. Und wenn es wirklich eine mit Fell ist!

Hätten Sie zum Abschluss ein kurzes, spontanes Tiergedicht auf Lager? Vielleicht über den Gekko?

Holofernes: Gekko, Gekko —
Gekko keck! —
Gekko, Gekko? —
Gekko weg.