Interpol – Post-Punk’s not dead

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Interpol – Post-Punk’s not dead

Vor zwölf Jahren haben Interpol mit ihrem Debüt "Turn On The Bright Lights" das Album des Jahres herausgebracht. Seitdem ist viel passiert: Die Post-Punk-Welle ist praktisch vorüber und Bassist Carlos Denger hat die Band verlassen. Von beidem ließen sich die New Yorker nicht beeindrucken und schaffen mit "El Pintor" ein Meisterwerk, mit dem nicht mal Fans mehr gerechnet hätten.

Die Erfolgsgeschichte von Interpol ist ungefähr so schnell erzählt wie geschehen: Mit ihrem Debüt schafften die New Yorker 2002 aus dem Stand heraus eine absolute Punktlandung. „Pitchfork“, die wichtigste Musikseite im Netz, wählte „Turn On The Bright Lights“ zum besten Album des Jahres. Zeitgleich lösten Interpol eine Post-Post-Punk-Welle aus, der Nachahmer wie die Editors folgten. Der Erfolg war immens, der Druck auch: Die Band um Paul Banks musste sich fortan an der Genialität ihres Debüts messen lassen, was natürlich dazu führte, dass in Fan-Foren zu jedem neuen Album die Diskussion darüber ausbrach, ob die Band ihren eigenen Zenit bereits überschritten hätte.

In genau diesen Foren ist nun zu lesen: „Wahnsinn, das hätte ich nicht mehr von Interpol erwartet.“ Auch Kritiker sind sich einig: Die Band hat ihr neues Meisterwerk erschaffen. Und das, obwohl die Vorzeichen denkbar schlecht standen. Frontmann Banks probierte sich in Soloprojekten aus und Bassist Carlos Dengler verließ die Band nach dem letzten Album vor vier Jahren. Da bei Interpol alle Bandmitglieder gleichberechtigt am Songwriting beteiligt sind, war zu befürchten, dass sich der Sound diesmal grundlegend ändert. Doch das Gegenteil ist der Fall, das alte Klischee vom überflüssigen Bassisten wird nahezu bestätigt: So sehr wie auf „El Pintor“ klangen Interpol seit ihrem Debüt nicht mehr nach Interpol.

Den Abgang ihres Bassisten kompensiert die zum Trio geschrumpfte Band mit allem, was einer Post-Punk-Band zur Verfügung steht: Gitarren in Dauerschleife, Schlagzeug-Gewitter, Grabes-Gesang, so dicht, düster und atmosphärisch, das jede Lichtquelle das Erhörte stört. „El Pintor“, was als Bandnamen-Anagramm und in der spanischen Übersetzung „Der Maler“ zu interpretieren ist, ist weder sperrig, noch Ohrwurm-tauglich, dafür aber ein typischer Grower.

Hervorzuheben ist hierbei vor allem das göttliche „My Desire“, ein Meisterstück, bei dem ab der zweiten Minute ein Gänsehaut-Hurrikan wütet. Mit einer an Perfektion grenzenden Produktion zwischen Punk-Rotz und technischer Politur gibt sich „El Pintor“ zackig, atmosphärisch, mitreißend und vor allem frisch. Das einzige, was man Interpol im Jahr 2014 vorwerfen kann, ist, dass es eben nicht mehr 2002 und die Post-Post-Punk-Welle praktisch schon vorüber ist. Nostalgiker und Fans dürfen sich doppelt so sehr freuen, dass zumindest Interpol nicht auf Keyboard- und Synthieflächen gesetzt und die elektronische Welle unbeschadet überstanden haben.