Geldof gegen Ebola: Kauft! Diesen! Song!

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Geldof gegen Ebola: Kauft! Diesen! Song!

Wenn Haftbefehl und Max Raabe zusammen im Studio stehen, muss Bob Geldof dahinter stecken: In Berlin hat der Vater von Band Aid alles dafür getan, um sämtliche Musiker, Journalisten und Spendenmittel im Kampf gegen Ebola zu vereinen. Auch wenn er dafür eine Menge Kraftausdrücke verwenden musste.

Bob Geldof (63, „The Great Song Of Indifference“) ist sauer, und zwar richtig. Bei der Pressekonferenz zur Band-Aid-Neuauflage lässt er das die deutschen Journalisten deutlich spüren. „Fuck you, german media“, heißt es da etwa, oder auch: „Wieso fragt ihr nicht, was hier falsch läuft? Ist es euch peinlich oder ist es euch egal?“ Ja, Fragen stellen traut sich nach der vorangegangenen Ansage kaum mehr einer der Anwesenden.

Die Journalisten, die am Donnerstag ins elitäre Soho-House gekommen sind, sind aus den Pop- und Unterhaltungsressorts ihrer Redaktionen. Sie sind, da muss man sich nichts vormachen, weniger wegen Ebola als vielmehr wegen Max Herre, Thees Uhlmann und Campino hier. Die drei Stars stehen stellvertretend für eine ganze Riege deutscher Musiker, die sich im Kampf gegen Ebola für eine deutsche Version des Charity-Klassikers zusammengeschlossen haben.

Die ganz Großen in Deutschland sind dabei: Clueso, Milky Chance, Sportfreunde Stiller, Marteria, Jan Delay, Cro, Gentleman, Jan-Josef Liefers, Wolfgang Niedecken, Michi Beck (Fanta4), Silbermond, Udo Lindenberg, Sportfreunde Stiller, Adel Tawil… Und die Liste ist noch nicht abgeschlossen. Sie alle nehmen trotz engstem Zeitplan und Tourstress am kommenden Montag die Neuauflage von „Do They Know It’s Christmas“ auf. Zeitgleich findet dasselbe Projekt in Frankreich statt, dort sind unter anderem Carla Bruni und Daft Punk mit von der Partie. In UK sind es Adele, One Direction und Coldplay.

Wer jetzt fragt, wie so unterschiedliche Musiker in einem Studio landen und sich auf einen Song einigen können, hat das Prinzip noch nicht verstanden. Mehrfach betonen Campino und Geldof auf der Pressekonferenz, dass der Song im Grunde völlig egal sei. „Es ist eine Spendenaktion und keine künstlerisch ambitionierte Geschichte“, so „Campi“. Geldof nennt die Erstauflage wiederholt „einen kleinen lächerlichen Weihnachtssong, kitschig und naiv“ und verflucht alle Musiker, die aus Coolness-Gründen nicht mitmachen wollten. „Your seriously fucking uncool!“

Thees Uhlmann versichert zumindest, dass sie sich bei dem neuen Text viel Mühe gegeben haben. „Und es wird glaube ich die einzige Platte sein, auf der Max Raabe und Haftbefehl zusammen was machen.“ Als ein Journalist nach der Beteiligung von Helene Fischer fragt, antwortet Campino: „Ich hatte ihre Nummer nicht. Unter dem Zeitdruck habe ich nur mein Telefonbuch durchsucht.“ Geldof findet die Idee aber gar nicht schlecht: „Wir wollen sie und Rammstein – zusammen“.

Das waren dann aber auch die einzigen lockeren Minuten dieser Pressekonferenz. Geldof will keine gute Laune versprühen, er will Menschenleben retten. Und Leben mit Pop retten, das geht. Seit 1984 habe er mit dem ersten Band-Aid-Projekt 250 Millionen Dollar gegen die Hungersnot in Afrika gesammelt, setzt er zu Rede an. Nun, exakt dreißig Jahre später, stehe die Welt mit Ebola vor einer neuen Krise. Die UNO selbst bat ihn um Hilfe. Auf die Politik sei kein Verlass, die Presse berichte nicht genug. Er verstehe zwar selbst nicht, warum wieder Popstars den Karren aus dem Dreck ziehen müssen. Aber er fühlt sich verantwortlich – wenigstens einer.

Pop bewegt Massen, Pop macht Politik und Bob Geldof ist der unfreiwillige Präsident dieser merkwürdigen Entwicklung geworden. Und er ist verdammt gut in diesem Job. „Ich habe einen Film über eine Krankenschwester gesehen. Sie berührte ein sterbendes Kind, weil seine Mutter es nicht mehr konnte. Weil sie tot war. Als sie diesem Kind eine Träne aus dem Gesicht wischte, vergaß sie, was sie tat. Sie vergaß ihre Handschuhe. Sie vergaß es, weil sie ein menschliches Wesen war. Heute ist das Kind tot. Und die Krankenschwester auch.“

Es gibt auch extrem viele „Fucks“ und „Bullshits“ in dieser 15-minütigen Rede. Eindringlich stellt Geldof seine Fassungslosigkeit dar, wie Deutschland als reichste Macht Europas die Armen wiederholt im Stich lassen könne. Wie Deutschland mehr Geld für ein einziges WM-Stadion ausgeben könne, als im Kampf gegen Ebola. Und wieso in diesem Land nur so wenig darüber berichtet würde – obwohl die Katastrophe uns schon rein geografisch bedrohe: „Stoppt dieses Ding in West-Afrika – und ihr könnt es stoppen – oder es wird sich vermehren. Und dann sind es eure Kinder, Frauen oder Männer, die ihr nicht mehr berühren könnt, während sie sterben.“

Sir Bob Geldof ruft dazu auf, dass man, ihr, wir jegliche professionelle Distanz zu dem Thema verlieren und stattdessen „dabei sind“: „Wie alle eure Lieblingskünstler.“ Am Montag erscheint die englischsprachige Neuauflage des Songs, die deutsche wird es spätestens ab dem 5.12. geben. Ab diesem Samstag gibt es zudem eine App, über die man live Infos aus dem Studio in England erhält. 100 Prozent der Erträge gehen an die Hilfsorganisationen – wirklich niemand verdient sonst an der Sache, weder die Sänger, noch iTunes, noch die Universal-Mitarbeiter oder das Soho-House.

Eins ist nach dieser Pressekonferenz klar: Das ist nicht nur nachhaltige Charity, das ist sogar Politik, wie auch immer es soweit kommen konnte. Also, egal wie dieses deutsche „Do They Know It’s Christmas“ auch klingen mag, wir sollten es alle kaufen.