Erasure ist „wie ein bequemes Paar Schuhe“

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Erasure ist „wie ein bequemes Paar Schuhe“

Mit "The Violet Flame" bringen Erasure nun schon ihr 16. Album auf den Markt. Das neue Werk von Vince Clarke und Andy Bell kommt mit gewohnt elektronischen, synthgeladenen Klängen daher, mutet jedoch weitaus hoffnungsvoller und positiver an als der eher düstere Vorgänger "Snow Globe". Warum das so ist und weshalb es im Studio nie Streit gibt, verriet Vince Clarke im Interview.

Ein knappes Jahr ist seit dem letzten Album von Erasure vergangen, doch das Elektro-Pop-Duo zog es schon wieder zusammen ins Studio. Das Ergebnis ist „The Violet Flame“, das am 19. September erscheint. Es ist bereits das 16. Album der beiden Briten Andy Bell und Vince Clarke, die seit mittlerweile drei Jahrzehnten miteinander Musik machen. Warum die Zusammenarbeit des Duos so gut funktioniert, erzählt Synthie-Experte Clarke im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news.

Ihr letztes Album „Snow Globe“ war trotz Weihnachtsthema sehr düster. Das neue Album „The Violet Flame“ kommt viel hoffnungsvoller und fröhlicher daher. Wie kommt’s?

Vince Clarke: Mit „Snow Globe“ wollten wir eine Platte machen, dass sich von anderen Weihnachtsalben unterscheidet, deswegen ist es so geworden, wie es ist. Denn natürlich sind die meisten traditionellen Weihnachtslieder sehr fröhlich und unbekümmert, und wir wollten dem Ganzen einen neuen Dreh verpassen. Der Optimismus von „The Violet Flame“ kommt daher, dass es Andy und mir zur Zeit so gut geht. Bei uns läuft alles prima und das spiegelt sich in den Songs wieder.

Was läuft denn alles prima?

Clarke: Wir leben beide in glücklichen Beziehungen, unsere Karrieren laufen gut und wir freuen uns, wieder zusammenzuarbeiten. Das sind alles positive Dinge, die hoffentlich auch in unserer Musik zu hören sind.

Sie arbeiten schon seit fast 30 Jahren zusammen. Gibt es auch das Bedürfnis, mit anderen Künstlern etwas zu erschaffen?

Clarke: Andy und ich haben beide immer wieder Nebenprojekte, die wir außerhalb von Erasure machen. Aber ich glaube, unser Hauptanliegen wird immer die Band sein. Ich bin sehr froh, dass ich jemanden wie Andy gefunden habe, mit dem ich auf diese Weise zusammenarbeiten kann. Und solange es uns Spaß macht, sehe ich keinen Grund, damit aufzuhören.

Was zieht Sie trotz der Nebenprojekte immer wieder zueinander?

Clarke: Nun, zum einen sind wir sehr gute Freunde. Und wir arbeiten schon so lange zusammen, dass es einfach funktioniert. Ich sage immer, wir sind wie ein bequemes Paar Schuhe. Wir vertrauen einander. Andy ist die einzige Person, die ich kenne, mit der ich mich hinsetzen und Songs schreiben kann, denn Songs zu schreiben ist eine sehr persönliche Sache. Ich kann das nur mit einem Menschen machen, dem ich vertraue. Und dieses Vertrauen braucht eine Weile, bis es sich aufgebaut hat. Wenn ich und Andy zusammen Songs schreiben, fühlt es sich einfach richtig an. Wir streiten nicht, es gibt keine schlechte Stimmung zwischen uns.

Dabei sind Ihre Geschmäcker nicht immer gleich. Andy mag eher den Disco-Sound, und Sie bevorzugen sanftere Töne. Gibt es da wirklich nie Streit oder kreative Differenzen?

Clarke: Nein, nie. Das ist der vielleicht wichtigste Grund, warum Andy und ich immer noch zusammen arbeiten: Wenn einer eine Idee hat, die dem anderen nicht gefällt, brechen wir keinen Streit vom Zaun, sondern lassen sie einfach fallen. Wir vergessen sie einfach und machen mit der nächsten weiter. Denn es gibt immer einen nächsten Song. Unser Verhältnis ist uns wichtiger als ein einzelner Song.

Gehen Ihnen dann nicht viele Songs durch die Lappen?

Clarke: Nein, das denke ich nicht. Ideen gehen sicher ständig verloren, aber das ist gut für den Prozess des Songschreibens. Es ist gut, in Bewegung zu sein und zu bleiben. Man wird nie innehalten und sich sagen: „Ich habe gerade den besten Song aller Zeiten geschrieben.“ Das wird nie passieren. Deswegen machst du immer weiter.

Sie haben unter anderem Remixe von Liedern von Rammstein und Rosenstolz gemacht – deutsche Bands. Wie kam es dazu?

Clarke: Die Plattenfirma ist auf mich zugekommen. Vor allem die Idee mit Rammstein war total verrückt. Aber mir gefiel das Lied und ich wollte es versuchen und sehen, was dabei rauskommt. Ich probiere gerne verschiedene Dinge aus. Ich habe keine spezielle Musikrichtung, die ich remixe. Wenn ich etwas finde, was mir gefällt oder dem ich etwas beisteuern kann, dann mache ich das. Und bei beiden Bands dachte ich, dass ich etwas Interessantes hinzufügen könnte.

Ihre Musik war immer sehr elektronisch. Hatten Sie nie das Bedürfnis, sich einfach mal eine Akkustikgitarre zu schnappen und loszulegen?

Clarke: Tatsächlich schreiben wir unsere Lieder meistens mithilfe von Akkustikgitarren. Aber ich bin nicht gerade ein brillianter Gitarrist und ich liebe einfach den Klang des Synthesizers und im Studio mit elektronischen Instrumenten zu experimentieren. Ich will einfach das machen, was mir gefällt.

Sie sind eine der wenigen Bands aus den 80ern, die den Sprung nach heute geschafft haben. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?

Clarke: Zum einen haben wir eine sehr treue Fangemeinde, die uns immer unterstützen und einfach großartig ist. Viele kommen schon seit Jahren auf unsere Konzerte. Und ich glaube, es liegt auch daran, dass wir nicht besonders trendy sind. Wir schreiben einfach – wie ich hoffe – gute Songs, die man gut unter der Dusche singen kann. Und das gibt dir mehr Langlebigkeit als alles andere.

Eine weitere Band aus der Zeit, die bis heute Erfolg hat, ist Depeche Mode, zu deren Gründungsmitgliedern Sie gehörten. Doch Sie verließen die Band, gerade als sie richtig durchstartete. Weshalb?

Clarke: Ach, das ist so lange her. Ich glaube, mit Depeche Mode ging einfach alles sehr schnell und ich war damals nicht wirklich fähig, damit umzugehen. Ich war emotional vielleicht einfach noch nicht reif genug. Außerdem machte die Band nicht die Musik, die ich gerne machen wollte. Ich war einfach nicht glücklich, also hielt ich es für das Beste, zu gehen.