Clueso und das Ende des Sommers

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Clueso und das Ende des Sommers

Unaufgeregt, berührend, sympathisch: Clueso und seine Musik haben dieselbe Persönlichkeit. Für sein sechstes Album hat sich der Erfurter Songwriter von der Plattenfirma getrennt, um vollkommen "Freidrehen" zu können. Drei Jahre später ist das Ergebnis da, mit melancholischer Note und perfekt zum Sommerende.

Clueso ist ein Musterbeispiel für den perfekten Schwiergersohn und so sympathisch, dass ihm nach seinen Konzerten ganze Hallen zu Füßen liegen. Vor allem aber ist der 34-Jährige einer der besten Songwriter des Landes. Der Erfurter fing 1995 mit poppigem Hip-Hop an und mixte seine Musik schon mit Soul, Reggae und Electronica, als Jan Delay noch nach den „Jan Soul Rebels“ suchte. Dabei hat er einen nahezu unheimlichen Sinn für Ohrwürmer, die jedem Radio schmeicheln. Wichtigste Regel: Keine Angst vor großem Pop.

Für sein sechstes Studioalbum ging der Songwriter und Sänger, der übrigens keine Noten lesen kann, ganz neue Wege. Er löste sich vom Druck der Plattenfirma, gründete sein eigenes Label „Text Und Ton“, ließ sich drei Jahre Zeit und produzierte und mixte erstmals fast alles in Eigenregie. Man würde nun erwarten, dass „Stadtrandlichter“ ein bisschen weniger professionell klingt, doch das Gegenteil ist der Fall.

In der ersten Hälfte spielt die Musik offensiv mit Synthesizern und Handclaps ausgestatteter guter Laune. Schon der Opener ist großes Pop-Orchester inklusive E-Gitarren, die quirlige Single „Freidrehen“ überrascht mit einer Prise Daft Punk und später guckt auch auch Udo Lindenberg für einen Song vorbei. Ab der Hälfte aber wird es ruhiger, geerdeter und persönlicher, da bekommt der Hip-Pop zuweilen eine bluesig-verträumte Note („Ich Falle Noch“). Mit Streicher und Akustikgitarre nimmt Clueso den Hörer im Titelsong mit auf eine nächtliche Autofahrt in die Heimatstadt, wird von einem Kuss „ganz nebenbei“ aus der Bahn geworfen oder nimmt sich vor, sich nur noch mit dem Kopf durch die Wand zu bewegen.

Beim Poeten Clueso, der schon vom Goethe-Institut durch die Welt geschickt wurde, haben die Texte oft einen doppelten Boden, spielen mit der Sprache und verschiedenen Interpretationen – ein Stilmittel, das noch aus seiner Hip-Hop-Zeit stammt. Vor allem aber hat Clueso die Fähigkeit, jede noch so große Popgeste mit seiner brüchigen, jugendlichen Stimme eine Prise Lässigkeit, Nähe und Persönlichkeit mitzugeben. „Stadtrandlichter“ ist ein Spätsommer-Album geworden, der leicht melancholische Soundtrack zur unerträglichen Leichtigkeit des Seins am letzten Urlaubstag – vor allem am Rande der Großstadt.