Christoph Maria Herbst: „Keine Figur war mir je ferner als Stromberg“

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Christoph Maria Herbst: „Keine Figur war mir je ferner als Stromberg“

"Firmenfeiern sind wie das letzte Abendmahl. Immer zu wenig Weiber, das Essen ist schlecht und am Ende gibt's Ärger" - ein Satz, wie er nur von Bernd Stromberg kommen kann und ein Satz, der den Kinofilm "Stromberg" mit wenigen Worten zusammenfasst. Im Interview hat Hauptdarsteller Christoph Maria Herbst verraten, wie sehr er sich mit der Figur "Stromberg" identifiziert und warum die Zeit während der Dreharbeiten kein Zuckerschlecken war.

Deutschlands (un-)beliebtester Chef ist zurück: Bernd Stromberg. Nach 10 Jahren auf dem TV-Bildschirm darf Christoph Maria Herbst (48, „Und weg bist du“) den egozentrisch veranlagten Abteilungsleiter der Capitol Versicherung nun auf der Kinoleinwand spielen (ab 20. Februar 2014). Der Nachrichtenagentur spot on news hat Herbst verraten, was er mit Hollywood-Star Anthony Hopkins gemein hat und wie ein Rasierer zum Therapeuten werden kann.

Herr Herbst, hätten Sie damit gerechnet, dass „Stromberg“ jemals ins Kino kommt?

Christoph Maria Herbst: Nein, ich hätte ja nicht mal damit gerechnet, dass die erste Staffel zu Ende ausgestrahlt wird. Mir war von Anfang an klar, dass wir da etwas sehr Nischenhaftes machen. Aber wir hatten innerhalb kürzester Zeit total treue Fans generiert, die sich nach der ersten Staffel sofort in einer Art Bürgerbegehren eingesetzt haben, dass „Stromberg“ weitergeht. Wenn mir damals jemand gesagt hätte, „Stromberg“ wird mal Kult und kommt ins Kino, den hätte ich einweisen lassen.

Wie lange brauchen Sie, um sich in die Figur Bernd Stromberg zu verwandeln?

Herbst: Äußerlich brauche ich für den Haarkranz sechs und für den Bart drei Wochen. Das ist aber im Laufe der Jahre immer schneller geworden, als hätte sich da ein körperlicher Memory-Effekt herausgebildet, als würden die entsprechenden Haarzellen wissen: „Aha, es geht wieder los, der Bernd ist angefragt“. Und dann habe ich das Gefühl, dass sich meine Haare sagen (spricht im Befehlston) „zu-gleich, zu-gleich“, sich zusammenraufen und rausdrücken ins Freie. Die innerliche Umstellung mit all den Manierismen und den Attitüden vom Bernd geht dagegen tatsächlich schnell. Dabei hilft mir natürlich sehr die äußere Verwandlung, die von außen nach innen geht. Außerdem helfen die Texte, die ich vorgelegt bekomme.

Stichwort Texte…

Herbst: Genau, lassen Sie mich dazu was sagen. „Stromberg“ ist gescripted, dem liegen Drehbücher zugrunde. Das muss ich zwischendurch immer mal wieder betonen. Oft werde ich gefragt: „Mensch, wo holst du denn nur immer all diese Sprüche her?“ Da kann ich immer nur sagen: „Da gibt es ein Drehbuch.“ Ich lerne das wie lateinische Vokabeln auswendig.

Diese sarkastischen Sprüche brachten Ihnen zumindest zu Beginn auch ein paar Anfeindungen aus der Öffentlichkeit ein.

Herbst: Nach der ersten Staffel, als vielen noch nicht klar war, dass wir das alles nur spielen, da hieß es tatsächlich mal: „So geht man mit seinen Leuten nicht um, jetzt gibt’s was auf die Mütze!“ Aber die Zeiten, in denen mir Prügel angedroht wurden, die sind lange vorbei. Inzwischen dürfte wirklich jeder begriffen haben, dass es keine wirkliche Dokumentation ist. Es ist letztlich doch nur eine kleine Büro-Comedy und die Reaktionen der Leute sind immer positiv.

Diese „kleine Büro-Comedy“ gibt es nun schon gut zehn Jahre. Spiegelt sich Bernd teilweise in Ihrer Persönlichkeit wider?

Herbst: Nein, wenn überhaupt, dann in homöopathischen Dosen, sprich kaum mehr nachweisbar. Fragen Sie mal Anthony Hopkins wie viel „Hannibal Lector“ in ihm steckt, der würde Ihnen wohl eine ähnliche Antwort geben. Es bleibt eine Rolle und wenn die ersten Adjektive, die einem zu Stromberg einfallen, folgende sind: rassistisch, frauenfeindlich, übergriffig, egozentrisch, dann wären das nicht die ersten Adjektive, die mir einfallen, wenn Sie den Namen Christoph Maria Herbst nennen. Ich tue nichts, ich will nur spielen. Ich war nie von einer Figur weiter entfernt als von Stromberg und trotzdem habe ich ihn ganz doll lieb. Und so schizoid das klingt, ich glaube genau das gehört ganz wesenhaft zur Schauspielerei.

Hatte Ihre Frau während der Dreharbeiten mal Angst, dass Sie als Bernd Stromberg nach Hause kommen?

Herbst: Sie hatte mehr Angst, als ich das Hörbuch zu Timo Vermes‘ Buch „Er ist wieder da“ eingelesen habe. Da hatte sie die Befürchtung, dass ich abends nach Hause komme und sie Eva nenne. Bei Stromberg geht das Martyrium über einen längeren Zeitraum und flacht dadurch auch wieder etwas ab. Das Schlimme für mich ist, dass ich die ganzen 100 Drehtage dann so aussehe wie der Bernd. Das ist ja keine Figur, die ich abends äußerlich an den Nagel hänge und dann wieder wie ich aussehe. Ich habe in dieser Zeit eben den Haarkranz und den Bart und da wird man dann schon mal soziophob in der Zeit.

Das klingt nach keiner allzu spaßigen Zeit außerhalb der Dreharbeiten…

Herbst: Nein, zu dieser Zeit bin ich doch sehr dünnhäutig und nicht zu Späßen aufgelegt. Ich ertappe mich dann eher dabei, wie ich den Schirm meiner Baseballmütze noch tiefer ins Gesicht ziehe. Nach dem letzten Drehtag ist auch der Rasierer das Erste, wozu ich greife, um mich aus diesem ganzen Haarwust wieder herauszumähen. Das ist für mich dann ein sehr wichtiger hygienischer Vorgang.

Haben Sie eine spezielle Therapie, wie Sie den Stromberg wieder los werden?

Herbst: Die größte Therapie war tatsächlich die, zum Rasierapparat zu greifen und mich wieder so wahrzunehmen und zu genießen, wie der liebe Gott mich eigentlich haben wollte. Es ist schon wie an Karneval, an dem man sieben Tage oder länger in fremde Häute schlüpft, weil man einfach mal jemand anders sein will. So ist es beim Stromberg auch. Und ich bin nach der Drehzeit – um im Bild zu bleiben – schon auch ein bisschen verkatert und muss dann erst mal wieder einen klaren Kopf kriegen.

Haben Sie mit dem überraschenden Ende des Films in dieser Form gerechnet?

Herbst: Überhaupt nicht! Da ist dem Ralf Husmann echt ein Coup gelungen. Ich glaube, uns ist da eine Komödie gelungen, die zeitlos ist. Man wird sich an dem Film auch in zehn Jahren noch auf DVD, mit Glück auch Blu-ray oder vielleicht sogar in 3D (lacht) erfreuen können.

Könnten Sie sich vorstellen, dass an dieses offene Ende nochmals angeknüpft wird?

Herbst: Ich weiß nicht? Ich glaube, wir haben hier für ein Ende gesorgt, dass aller Ehren wert ist. Ab dieser Stelle sollte eher das Kopfkino der Leute losgehen. Sie sollen sich vorstellen, ob der Stromberg in seiner neuen Rolle Karriere macht und in welcher Funktion das sein könnte. Das soll jeder für sich selber weiter spinnen. Ich sehe das nicht zwingend, dass es mit „Stromberg“ weitergehen muss, bin aber dennoch zu allen Schandtaten bereit.

Vom Kopfkino abgesehen, wie sollen Ihrer Meinung nach die Leute aus dem Film gehen?

Herbst: Mir wäre das Liebste, wenn die Leute aus dem Kino gehen und die Zeile „Lass das mal den Papa machen“ auf die Melodie der Internationalen singen.

Über welche Filme können Sie eigentlich privat lachen?

Herbst: Ich habe mir gerade nach langer Zeit wieder den ersten Teil von „Hangover“ angeguckt. Ich war froh, dass ich mir den auf DVD angeschaut habe – ich musste so oft auf die Pause-Taste drücken, weil ich immer wieder ins Bad laufen musste, um mir ein Stück Klopapier zu holen, um mir die Augen zu trocknen. Ich habe mich so dermaßen bepisst vor Lachen. Das war Humor, auch wenn der Film mittlerweile schon alt ist, der hat mich einfach an der richtigen Stelle abgeholt.

Zum Schluss ein Ausblick in das noch junge Jahr 2014: Welche Projekte stehen bei Ihnen an?

Herbst: Ich habe vor Kurzem ein paar schöne Hörbücher eingelesen, die im Laufe des Jahres auf den Markt kommen. Mit Detlev Buck und Elyas M’Barek habe ich den Film „Männerhort“ abgedreht, basierend auf dem Theaterstück, das ich vor acht Jahren zusammen mit Bastian Pastewka am Berliner Kudamm-Theater gespielt habe. Dann hat der Thommy Krappweis eines seiner Bücher verfilmt: „Mara und der Feuerbringer“ mit Heino Ferch, Jan Josef Liefers und mir. Das wird so ein Mystery-Thriller, der im Herbst rauskommt. Auch wenn „Stromberg“ gestorben ist, der Herbst wird immer wieder auferstehen.