Chemical Brothers: Die richtigen Knöpfe

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Chemical Brothers: Die richtigen Knöpfe

Das neue Album der Electro-Pioniere The Chemical Brothers ist wie eine Partynacht - mit allen Höhen und Tiefen. Vom "Push the Button"-Moment auf der Tanzfläche, über den Punkt, an dem alles ein bisschen zu viel wird bis zur Belohnung durch den Sonnenaufgang.

Älteren, weißen Männern traut man meistens nicht so viel Willen zur Innovation zu – im Falle der Chemical Brothers ein schwerer Fehler. Die mittlerweile 44- und 45-jährigen Tom Rowlands und Ed Simons feierten ihren Durchbruch schon vor 18 Jahren und ihren größten Hit „Push The Button“ vor zehn Jahren, beweisen aber mit ihrem neuen Album, dass sie musikalisch immer noch voll am Puls der Zeit sind.

Mit „Born In The Echoes“, ihrem ersten Longplayer seit fünf Jahren, greifen die Briten noch einmal ganz tief in die Trickkiste – und nehmen den Hörer mit, was die vielleicht größte Kunst an diesem anspruchsvollen Album ist. Zwischen psychedelischem Acid, nostalgisch bis futuristischen Big Beat und Indie-Gaststars wie St. Vincent und Cate Le Bon wird es weder anstrengend noch langweilig.

Die Single „Go“ bringt es mit einem Basslauf, der wohl jeden Tanzmuffel bekehren könnte, und dem perfekten Synthesizer-Einsatz im Refrain auf den Punkt: „No time to rest / Just do your best / What you hear is not a test / We only here to make you go. Can’t think. Can’t sleep. Can’t breathe.“ Man hofft, dass dieser Song schnell die totgenudelten Hits wie „Galvanize“ oder „Hey Boy Hey Girl“ im Club ersetzen möge. „Eml Ritual“ klingt wie sein Text: „I dont know what to do / I’m going to lose my mind“ – ein EDM-Hit für die orientierungslosen Momente in der Crowd. Der auch gleich die richtige Lösung bereithält: Wieder dieser prägnante Basslauf, also tanz doch einfach weiter, die Musik wird dich schon auffangen.

Hatten wir versprochen, es würde nicht anstrengend werden? Okay, ein bisschen psychedelischen Krach muss man schon ertragen, der fordert die Hörgewohnheiten nämlich im sehr lauten und sehr trippigen „I Will See You There“ heraus. Aber so ist sie nun mal, die richtig gute Nacht, an die man sich noch lange erinnern wird: Erst ein Warm-up unter guten Freunden, dann der Push-The-Button-Moment im Club, wenn die Euphorie überkocht, die anstrengende Phase, wenn man merkt, dass das jetzt alles doch ein bisschen zu viel des Guten war und die Versöhnung mit der Realität im rosa Morgengrauen.

Und das ist ja auch fast das Schönste an diesen Nächten: Wenn die Nüchternheit langsam wieder einsetzt, das Gehirn die Kontrolle übernimmt und man wieder mit beiden Beinen auf dem Boden steht. Hier passt dann auch „Wide Open“ mit Indie-Star Beck perfekt. Das ist der Moment, wenn die Lungen endlich wieder frische Luft atmen dürfen und man mit einem Sonnenaufgang für die Strapazen belohnt wird.