Celo & Abdi: „Hip-Hop ist eine große Vetternwirtschaft“

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Celo & Abdi: „Hip-Hop ist eine große Vetternwirtschaft“

Celo & Abdi sind bekannt für ihre gesellschaftskritischen Texte. Sie rappen über das kriminelle Milieu in Frankfurt und das Leben jugendlicher Migranten. Das Album "Akupunktur", das am 6. Juni erscheint, sitzt wie ein emotionaler Nadelstich. Im Interview sprechen die Rapper über die Generation "YOLO" und ihren Bildungsauftrag.

Celo & Abdi wirken nach außen so hart und doch beschäftigt die beiden Frankfurter Rapper eine ganz besonders wichtige Angelegenheit. Sie sorgen sich um die Zukunft unserer Jugend. Der Grund dafür? „YOLO“ und eine nach ihrer Meinung scheinheilige Lebensphilosophie. Am 6. Juni kommt ihr zweites Album auf den Markt. „Akupunktur“ soll die Menschen dort treffen, wo es sie am meisten emotional berührt. Warum das Musikbusiness so hart ist und was die Gangster-Rapper über Sido und Bushido zu sagen haben? Im Interview mit spot on news erzählen die Jungs, warum Hip-Hop eine einzige Vetternwirtschaft ist.

Zurück auf Anfang: 2008 haben Sie zusammen mit Celo in einem Callcenter gearbeitet und sich dort kennengelernt. Wann haben Sie sich dazu entschieden, gemeinsam zu rappen?

Abdi: Ich hatte damals mit meinem Handy ein Video im Internet hochgeladen, das in Frankfurt die Runde gemacht hat. Celo hat mich daraufhin angesprochen und mir erzählt, dass er sich ebenfalls schon musikalisch ausprobiert hat. Weil wir uns aber aus den Augen verloren haben, kam der Kontakt erst wieder via „Wer kennt wen“ – das heutige Facebook. Obwohl ich zu der Zeit auch von anderen Lokalmatadoren umworben wurde, hat es mit Celo einfach gepasst. Lieber so als irgendwelche Typen, die Kohle dafür wollten, weil sie mich angeblich groß rausbringen.

Sie haben dann Ihr erstes gemeinsames Mixtape „Mietwagentape“ aufgenommen.

Abdi: Richtig. Und damit den Deutsch-Rap ordentlich rasiert.

Nun kommt am 6. Juni Ihr neues Album „Akupunktur“ auf den Markt. Was hat sich seit dem ersten Tape verändert?

Abdi: Die Zeit bringt die Entwicklung und zwischen dem „Mietwagentape“ und dem jetzigen Release liegen einige Jahre. Wir haben uns seitdem in jedem Element gesteigert und wie der Name schon sagt, ist jeder Vers ein Nadelstich, der den Hörer emotional bewegt.

Sind Sie sich in Sachen Text auch mal uneinig?

Abdi: Natürlich hat jeder seinen eigenen Style. Unser Geschmack ist aber so gut wie identisch, daher unterscheiden wir uns vom Inhaltlichen nicht wirklich. Aber mit dem Alter wird man ja auch reifer und überlegt sich daher zweimal, was man sagt, wenn einem manche Dinge tatsächlich nicht passen. Reif sein heißt eben auch, verantwortungsbewusst sein.

Auch in Bezug auf Ihre Zielgruppe? Ein Song auf dem neuen Album heißt „Generation Tschö!“ Finden Sie, es geht bergab mit unserer Jugend?

Abdi: Ja, definitiv. Das beginnt schon mit den ganz normalen Dingen, die in dieser Generation zu wünschen übrig lassen. Gemeinsam am Tisch zu sitzen und mit der Familie zu essen. Vor allem aber Respekt zu haben – vor älteren Leuten und auch im Umgang miteinander.

Wer ist dafür verantwortlich?

Abdi: Die Medien tragen einen großen Teil dazu bei. Serien, Realityshows, Talkshows, das macht die Kids doch ganz Matsch in der Birne. Und wir alle wissen, wie beeinflussbar Kinder sind. Die sitzen dann vor der Glotze und können gar nicht mehr Richtig von Falsch unterscheiden.

Haben Sie als Rapper dann nicht auch einen Bildungsauftrag?

Abdi: Ja natürlich, Kinder hören unsere Musik, also übernehmen wir automatisch diesen pädagogisch ehrenamtlichen Job. Wir könnten auch skrupellos sein und nichts darauf geben, aber wir sind beide so erzogen worden, deswegen wollen wir mit gutem Vorbild voran gehen. Zielstrebig sein und Disziplin, das bildet den Charakter.

Sie sind waschechte Frankfurter. Hat die hessische Metropole Berlin in Sachen Gangster-Rap abgelöst?

Abdi: Frankfurt ist die Hauptstadt vom Straßen-Rap. Der Staffel-Stab wurde weitergegeben – vielleicht kann man ihn aus Solidarität auch irgendwann wieder zurückgeben – aber momentan liegt der Fokus eindeutig hier. Berlin boomt gerade in Sachen Hipster-Rap. Schaut euch zum Beispiel Karate Andi an. Wir nennen das auch gern Pimmel-Rap mit Singen und Attitüde. Frankfurt ist viel mehr echter Straßen-Rap mit abgeschnittenen Fingernägeln, nur ohne Dreck darunter.

Celo: Frankfurt hat einfach eine lange Tradition im Straßen-Rap und durch Celo & Abdi ist es wieder aufgeblüht. Doch auch der Ruhrpott ist nicht zu unterschätzen und Hamburg ist sowieso die traditionelle Hip-Hop-Stadt. Auch der großartige Produzent M3, welcher für die musikalische Umsetzung unseres ersten Albums „Hinterhofjargon“ zuständig war, ist ein Hamburger Jung.

Wie sieht es denn mit Aggro Berlin aus?

Abdi: Ich sag mal so, sie haben viel zum Szene-Berlin beigetragen und musikalisch einiges geleistet. Gerade Sido und Bushido sind zwei super Künstler, die viel erreicht haben. Dennoch gibt es in Berlin ganz andere Grundpfeiler.

Sie arbeiten auch mit vielen anderen Künstlern aus unterschiedlichen Bereichen zusammen.

Celo: Hip-Hop ist eine große Vetternwirtschaft. Wenn man keinen Draht hat, kommt man nur ganz schwer rein. Wenn ich von allein nicht Fuß gefasst hätte, dann hätte ich eben von irgendeinem die Cousine weghauen oder mich anschwägern müssen. Leider ist es so im Rap: Wenn du beim Splash spielen willst, musst du dich mit irgendjemandem gut stellen. Von allein kommst du an die Veranstalter oder die Magazine nicht ran, da die meisten Journalisten das Talent der Künstler nicht von allein erkennen. Es wird einfach immer nur der Cousin vom Cousin gepusht. Traurig aber wahr.

Bleiben deshalb viele Rapper erfolgstechnisch auf der Strecke?

Celo: Die meisten Rapper sind ja Migrantenkinder und kommen direkt von der Straße. Die wissen, wie es ist, echte Probleme zu haben, über die sie dann auch rappen. Für solche Kids aus der sogenannten Schattenwelt ist es leider dementsprechend schwer, in der höheren Hip-Hop-Liga zu spielen, denn da wartet ein arrogantes Etepetete-Getue in der Musikbranche auf sie.

Ihre Songs sprechen an der einen oder anderen Stelle schon ordentlich Tacheles. Wie viel Prozent davon ist Image?

Celo: Jedes Unternehmen, jede Firma, jeder Künstler verkörpert ein Image. Wir repräsentieren ein Kollektiv, was für Zusammenhalt und Loyalität steht. Wir möchten durch unsere Musik Tugenden mit auf den Weg geben. Wenn in der Schule ein Bosnier neben einem Marokkaner sitzt, dann sollte das kein Problem sein, sondern alle denken: Hey, die sind wie Celo & Abdi, lass‘ zusammen Fußball zocken gehen.

Abdi: Die meisten bekommen vom Management ein Image aufgesetzt. Wir sind zu hundert Prozent waschecht. Gewisse Kraftausdrücke wie „Fuck YOLO“ gehören eben dazu, aber das ist unsere ehrliche Haut.

Sie haben jenen gleichnamigen Song mit Kult-Rapper Mc Fitti aufgenommen. „Yolo“- you only live once. Warum entspricht das nicht Ihrer Lebensphilosophie?

Abdi: Ich habe den bärtigen Mann erst vor Kurzem wieder getroffen. Ein ganz lieber Kerl, aber die Musik ist nicht mein Fall. Genauso wenig wie dieses „YOLO“-Prinzip. Da würde sich ja der Mensch nicht vom Tier unterscheiden, wenn man sich denkt: Scheiß drauf, ich wasch mir nach dem Pinkeln nicht die Hände! Irgendwie gibt es ja auch immer einen Morgen. Jeder sollte an seine Zukunft denken.

Celo: Genau das würden wir mit unserer Musik auch gern vermitteln. Diese Generation hat es so schon schwer genug. Wenn den 16 bis 21-Jährigen alles egal wäre, würden die ja völlig durchdrehen. Wir können es wirklich schätzen, so ein Bildungssystem in Deutschland zu haben. Deswegen möchten wir den Jugendlichen suggerieren, den richtigen Weg zu gehen und distanzieren uns von diesem „YOLO“ komplett. Wenn wir „YOLO“ feiern würde, wäre das doch ein Gnadenstoß für die Kids.