Broilers: „Wir würden Frei.Wild keinen Song widmen!“

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Broilers: „Wir würden Frei.Wild keinen Song widmen!“

Auch auf "Noir" singen die Broilers wieder gegen den Rechtsruck in der Gesellschaft an. Frei.Wild sind den Punkrockern dabei trotz aller Spannungen keine Zeile wert. Was die Broilers alles lieber tun, als Texte über die Südtiroler zu schreiben, haben sie spot on news verraten.

Schon seit über 20 Jahren machen die Broilers die Punkrock-Szene unsicher. Vom rohen Oi! der Anfangstage haben sie sich längst wegentwickelt, und einen eingängigen Sound mit Einflüssen aus Rockabilly, Ska und Reggae geschaffen. Mit dem letzten Album „Santa Muerte“ konnten die Düsseldorfer erstmals einen Chart-Hit landen, und es sieht alles danach aus, dass sie ihre Erfolgsgeschichte mit ihrem neuen Werk „Noir“ fortsetzen. spot on news hat sich mit den Gründungsmitgliedern Sammy Amara (Gitarre und Gesang) und Andreas Brügge (Schlagzeug) über das neue Album, den Wert der Musik und ungute Tendenzen in der Jugend unterhalten.

Auf „Noir“ herrscht über weite Strecken eine recht nachdenkliche, traurige Stimmung vor. Wie kam das?

Sammy Amara: Nachdem die „Santa Muerte“ so gefühlt fröhlich war, oder „shiny“, sollte das ruhig mal ein bisschen dunkler werden. Klar waren im Privaten da so ein paar Dinge, die einen nicht ganz glücklich gemacht haben, und das findet sich dann in den Texten wieder. Ich verrate nie zu viel über konkrete Ereignisse, sondern es ist immer alles angedeutet, so dass das jeder für sich selbst gebrauchen kann.

Andreas Brügge: Wir mögen es immer auch ganz gerne, wenn die Leute Sachen reininterpretieren, die wir vielleicht am Anfang gar nicht gesehen haben.

Mit „Santa Muerte“ habt ihr erstmals Erfolge in den Charts gefeiert. Hat sich dadurch für die Band viel geändert?

Brügge: Ich glaube, das hat weniger mit dem eigentlichen Chart-Entry oder sonst was zu tun. Es hat sich schon viel getan einfach dadurch, dass wir mittlerweile alle davon leben können. Das heißt, man ist deutlich entspannter bei der Sache, kann sich jetzt komplett aufs Musikmachen konzentrieren, ohne dass man noch irgendeinen 9-to-5-Job machen muss.

Ihr seid ja auch recht viel auf Tournee. Leidet darunter das Privatleben?

Amara: In der Zeit, in der wir touren, ist es auf jeden Fall sehr anstrengend für alle Beteiligten. Als deutschsprachige Band macht es nicht so viel Sinn, im Ausland zu spielen, daher ist die Zeit, in der wir unterwegs sind, noch überschaubar. Aber in der Zeit findet Privatleben nicht wirklich statt. In dem „U-Boot“, unserem Nightliner, kannst du noch nicht mal in Ruhe furzen. (beide lachen)

Eine andere deutschsprachige Band, die gerade große Erfolge feiert, ist Frei.Wild. Ihr habt die schon öfter kritisiert.

Amara: Mögen wir nicht.

Geht es darum auch in dem Stück „Der Rest und ich?“

Amara: Nö. Also, wir kennen den Song, den die uns gewidmet haben – ich wüsste mit meiner Zeit besseres anzustellen. Ich würde mir lieber am dicken Zeh rumspielen oder mit meinem Hund Gassi gehen. Ich habe Backgammon kürzlich gelernt, das würde ich auch lieber spielen. Aber einen Song würde ich denen nicht widmen.

Wovon handelt der Song dann?

Amara: Es ist viel globaler gesehen. Es geht mir tatsächlich darum, was in der Jugend im Moment passiert. Die rutscht ein bisschen in die rechte Richtung, und das mag ich einfach nicht. Rechts von der Mitte ist scheiße für mich. Es war uns wichtig, etwas dazu zu sagen.

Brügge: Dazu gibt es auch eine nette Geschichte. Als wir dieses Lied geschrieben haben, hatten wir einen Praktikanten vom Studio dabei, der deutlich jünger war als wir. Und für den war das ganze Thema
sehr weit weg, weil man sich damit nicht mehr beschäftigt. Wir zitieren etwa diesen Mann in vollgepisster Jogginghose, der in Rostock-Lichtenhagen vor dem brennenden Haus stand, und das hat er zum Beispiel nicht verstanden. Und da haben wir gedacht, vielleicht musst du die Leute mal wieder wachrütteln oder ihnen sagen: Da kann es hingehen, wenn das alles auf einmal so scheißegal wird. Und ich glaube, zurzeit geht es auch gerade wieder in diese Richtung. Wenn du dir anschaust, was in Berlin-Hellersdorf passiert oder diese Proteste gegen Flüchtlingslager überall – das ist ein ganz seltsamer und gefährlicher Weg. Da ist es wichtig, dass man sich positioniert und den Leuten mal vor den Kopf schlägt.

Du bist ja immer recht selbstkritisch, was deinen Gesang angeht. Wie zufrieden bist du mit den Vocals auf „Noir“?

Amara: Manche Sachen klingen gut, andere finde ich eher nicht so geil. Es hat sich da so eine neue Frequenz in meine Stimme geschlichen. Wenn ich laut singe, vibriert das wie ein Verzerrer. Das ist schwierig, das muss ich noch beobachten. Ich habe mich aber damit arrangiert und erschrecke mich nicht mehr davor. Ich weiß, welche Töne ich treffen kann und welche nicht, würde mich aber freuen, wenn sich die „Range“, wie man so sagt, erweitert. Dann hätte ich einfach mehr Spielraum. Ich wäre durchaus bereit, auch mal Gesangsunterricht zu nehmen, wenn ich einen vernünftigen Gesangslehrer finde – aber der muss erst gebacken werden! (lacht)

Im Vorfeld hat ja eure Single „Ist da jemand?“ ziemlich abgeräumt, obwohl sie physisch nur auf Vinyl erschienen ist. Habt ihr so etwas erwartet?

Amara: Nö. Also entweder ist das so, weil wir die Leute gezwungen haben: „Wenn ihr was in der Hand haben wollt, dann müsst ihr es auf Vinyl kaufen“, oder die Leute haben wirklich Bock auf Vinyl. So oder so, ich find’s gut, wenn Menschen bereit sind, etwas, was sie glücklich macht, oder was sie wertschätzen, auch zu entlohnen. Ich habe das Gefühl, dass dieses Klauen von Musik im Internet zurückgegangen ist. Ich würde mich freuen, wenn die Leute das verstehen: Nur weil etwas unsichtbar ist und nicht greifbar ist, hat es trotzdem Wert.

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