Antilopen Gang: Auch Nazis hören beim Kuschelsex U2

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Antilopen Gang: Auch Nazis hören beim Kuschelsex U2

Sei es der Plattenschrank des NSU oder die Dummheit der Menschen an sich: Die Antilopen Gang schreckt vor keinem Abgrund zurück. Warum es sich zwischen den Stühlen am besten sitzt und wieso Facebook ohne Freunde am schönsten ist, haben die Rapper spot on news verraten.

Die Antilopen Gang ist ganz sicher keine typische Rap-Band. Mit unkonventionellen Songs und humorvollen aber meinungsstarken Texten haben Danger Dan, Panik Panzer, Koljah und NMZS nicht nur in der Hip-Hop-Szene schon einigen Staub aufgewirbelt. Nach dem tragischen Tod von NMZS im Jahr 2013 will die Gang es jetzt erst recht wissen und bringt die Band mit dem Labeldebüt „Aversion“ auf JKP (Die Toten Hosen) auf das nächste Level. Dabei gehen die Rapper weiterhin keiner Kontroverse aus dem Weg. Die Nachrichtenagentur spot on news hat sich mit der Antilopen Gang über die Banalität des Bösen und die Dummheit an sich unterhalten.

Wie kam es zur Gründung der Antilopen Gang?

Danger Dan: Wir haben uns vor vielen Jahren in einem Netzwerk zusammengefunden, das Politik und Hip-Hop verbinden wollte. Wir wollten Hip-Hop-Lieder schlau machen, das ist uns aber krass misslungen und wir sind stattdessen selber dumm geworden. Wir haben uns dann sofort, dumm wie wir waren, von diesem Netzwerk wieder abgespalten. Das erste physische Aufeinandertreffen zwischen uns dreien war dann 2003 auf einer Demonstration gegen die Schließung eines autonomen Zentrums, wo wir alle ein Konzert spielten.

Sie haben früher schon über die Toten-Hosen-Plattenfirma JKP als Wunschlabel gerappt, jetzt sind Sie wirklich da gelandet. Wie kam es dazu?

Panik Panzer: Koljah hat tatsächlich mal in einem Lied gerappt, dass er gerne zu JKP möchte. Das war damals wohl noch nicht so ganz ernst gemeint, wobei er sich wahrscheinlich auch schon im Hinterkopf dachte „Hehehe, das hören die, vielleicht überlegen sie sich das dann“, aber leider ist es da noch nicht dazu gekommen, dass wir bei JKP gesignt wurden. Dann kam es so, dass der Manager von JKP uns in einem Interview gehört hat, uns wohl sympathisch und gut fand und sich daraufhin bei uns gemeldet hat. So kam dann eins zum anderen und jetzt sind wir bei JKP gelandet.

Hat Ihnen deshalb schon jemand den Ausverkauf vorgeworfen?

Panik Panzer: Das passiert durchaus, dass man uns den Ausverkauf vorwirft, aber was will man machen? Das sind halt irgendwelche Leute, die gerne umkrakeelen und nur eine Gelegenheit suchen, um sich zu beschweren. Das finden wir nicht so schlimm, damit können wir ganz gut umgehen.

Sie bezeichnen Ihren Stil als „revolutionsromantischen Rüpel-Rap, der lieber Punk wäre“. Warum machen Sie dann eigentlich keinen Punk?

Panik Panzer: Das ist eine naheliegende Frage, aber wir machen Punk. Wir haben das Album jetzt auch genutzt, um mal unsere Punk-Affinität auszuleben. Wir haben einen fast waschechten Punksong darauf und das hat uns auch großen Spaß gemacht, und wer weiß, wohin das noch in Zukunft führt. Es kann durchaus sein, dass wir uns beim nächsten Album ein kaputtes Schlagzeug und eine kaputte Gitarre nehmen und anfangen, nur noch über Dosenpfand und kaputte Telefonzellen und so Dinge, die halt schön sind und im Punk als Thema durchaus Sinn ergeben, singen. Irgendwie findet Punk bei uns also auch statt, aber leider Gottes hat sich unsere Geschichte so ergeben, dass wir Rapper geworden sind, und das müssen wir jetzt auch vorerst bleiben.

Als linke Hip-Hop-Band sitzen Sie zwischen allen Stühlen. In welcher Szene fühlen Sie sich am ehesten zuhause?

Panik Panzer: Wir fühlen uns in allen Szenen zuhause und alle sind willkommen. Unser Geheimrezept soll ja sein, dass wir uns bei allen anbiedern und das funktioniert ja auch ganz großartig. Die Hip-Hopper finden es wunderbar, die Punker jubeln, die Linken tragen uns auf Händen, das ist einfach ein ganz klares strategisches Konzept, das wunderbar aufgeht. Da sitzen wir gerne zwischen den Stühlen, da ist es bequem. Zwischen den Stühlen ist nämlich der Boden, und der Boden ist prinzipiell auch rein metaphorisch gesehen ein Ort, an dem wir uns wohlfühlen. Am Boden fühlen wir uns gut aufgehoben.

Koljah: Unserem Selbstverständnis nach würden wir uns auch nicht als linke Rap-Band beschreiben. Wir haben einfach nur eine Haltung und Meinung zu bestimmten Themen und sagen die auch mal, wenn wir es für nötig halten. Das mag jetzt mancher irgendwie als „links“ oder „linksradikal“ oder so bezeichnen, ich wäre da jetzt eigentlich eher vorsichtig. In den 90ern war das ein bisschen mehr Gang und Gäbe, dass das Hip-Hop-Crews gemacht haben in Deutschland, beziehungsweise hatten die vielleicht einfach mehr Aufmerksamkeit als heute.

Der Tod von NMZS war ein tragischer Einschnitt in Ihrer Bandgeschichte. Seitdem präsentieren Sie sich aber auch stärker als Einheit. Wie kam es dazu?

Panik Panzer: Das ist ein starker Einschnitt gewesen aber das war auch ein Moment, indem wir uns erst mal zusammengerauft und geguckt haben, wie es weitergeht. Das hat vorher nie stattgefunden. Auch wenn die Antilopen Gang in unserem Leben schon immer durchaus eine wichtige Rolle gespielt hat, lief das eher so nebenher. Und das war halt der Zeitpunkt, wo wir gesagt haben: Jetzt erst recht, wir lassen uns von so einer Scheiße nicht unterkriegen! Vorher war es auch so, dass wir live zum Beispiel nicht immer alle aufgetreten sind, da Danger Dan sein Geld als Tour-Pianist von Reggae-Bands verdient hat. Das damalige Live-Gefüge der Antilopen Gang waren Koljah, Panik Panzer und NMZS, und erst nach seinem Tod haben wir tatsächlich gesagt: Jetzt sind wir eine Band, jetzt machen wir alles zusammen.

In „Verliebt“ beschreiben Sie eine Situation, die sicher jeder schon erlebt hat: Man findet jemanden attraktiv, bis er etwas unglaublich Dummes sagt. Wie oft passiert Ihnen das?

Panik Panzer: Das passiert andauernd. Das ist vielleicht auch ein Grund, warum ich seit ein, zwei Jahren nicht mehr auf Partys gehe, denn es treiben sich überall Idioten herum, die einem die Laune vermiesen. Ich habe sowieso meistens miese Laune, und wenn die dann noch mieser wird, weil irgendein Idiot einen volllabert, ist das natürlich ganz, ganz schrecklich. Es war höchste Zeit, dass wir das mal in einem Song verarbeiten. Zudem ist ja nichts unattraktiver als Dummheit und Dummlaberei. Da kann die schönste Person der Welt vor einem stehen, wenn die dann nur noch Unfug redet, will man ganz schnell wieder fliehen.

Wie halten Sie es dann noch bei Facebook aus? Da tun sich ja gerade auch im eigenen Bekanntenkreis gerne die reinsten Abgründe auf…

Panik Panzer: Das stimmt, ja, Facebook ist leider Gottes auch unter den eigenen Bekannten ein Sumpf der Dummheit, aber das ist ja auch nur Spiegel der Gesellschaft. Meine eigenen Freunde sind auch nur Spiegel der Gesellschaft: Sie sind dumm. Deswegen ist auch mein großes Projekt: Facebook-Freunde aussortieren. Ich starte es morgen! Und eines Tages bin ich dann ganz allein auf Facebook, und ich glaube, das wird die beste Zeit meines Lebens. Ich werde mich selber anstupsen, ich werde mir selber schöne Nachrichten schreiben, die mich beflügeln, ich werde mir interessante Links posten. Das ist für mich eine schöne Zukunftsperspektive!

In „Beate Zschäpe hört U2“ beschäftigen Sie sich mit der Tatsache, dass beim NSU eben auch U2-Platten gefunden wurden. Was sagt uns das?

Koljah: Nazis sind auch ganz gewöhnliche Leute, die mitunter ganz gewöhnliche Musik hören. Hannah Arendt hat ja die Formulierung von der „Banalität des Bösen“ geprägt, als sie Adolf Eichmann bei seinem Prozess beobachtet hat. Das sind halt ganz banale Leute, und U2 ist eine ganz banale Band. Das heißt natürlich nicht, dass U2 Nazis sind, sondern dass Beate Zschäpe, wenn sie Kuschelsex mit Uwe Mundlos hatte, halt auch einfach mal den Bono ein bisschen Lovesongs trällern hören wollte. Und darum geht es im Endeffekt, auch Beate Zschäpe ist kein Monster oder von einem anderen Stern, sondern ein U2-Fan. Ich glaube, Bryan-Adams-Platten haben sie auch bei ihr gefunden.

Was ist eigentlich aus Ihrem Beef mit Prinz Pi geworden?

Panik Panzer: Das war ein sehr einseitiger Beef. (lacht) Wir haben versucht, uns mit einem kleinen Diss-Track an seinem Namen hochzuziehen. Das ist grandios gescheitert, da er selbstverständlich auf so einen kleinen Untergrund-Act, wie wir es damals waren, nicht eingegangen ist und uns ignoriert hat. Deswegen war das kein Beef, und dementsprechend ist dieser Nicht-Beef auch beendet.