Anthony Rother: „Techno hat eine gesellschaftliche Relevanz“

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Anthony Rother: „Techno hat eine gesellschaftliche Relevanz“

Er zählt zu den angesagtesten Techno-Produzenten Deutschlands. Jetzt bringt Anthony Rother sein neues Album "Verbalizer" auf den Markt. spot on news verrät er im Interview, was ihn an Techno fasziniert und wie schlimm es um ihn stehen müsste, damit er einen Song von Helene Fischer remixt.

„Meine Aufgabe ist einfach mit meinen Maschinen zu arbeiten.“ Was klingt wie die Aussage eines Mechanikers, ist das Statement des erfolgreichen Techno-Produzenten Anthony Rother (42). Der gebürtige Frankfurter ist in der internationalen Electro-Szene hoch angesehen. Jetzt erscheint sein neues Album „Verbalizer“, in das er laut eigener Aussage sein „Leben reingeschüttet“ hat. Woher die Faszination für elektronische Musik kommt und wieso Helene Fischer nicht auf seinen Plattentellern landen wird, verrät Rother im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news.

Was begeistert Sie so sehr an Techno- und Electro-Musik?

Anthony Rother: Die Historie dieser Musik finde ich ultraspannend. Aus dieser Geschichte ist eine Musik entstanden, die fortschreitet, die im Kern etwas Expansives in sich trägt und sich stetig weiterentwickelt. Gleichzeitig hat Techno auch eine echte gesellschaftliche Relevanz, denn von Beginn an stehen die Leute, die diese Musik lieben und sich als Teil einer Szene begreifen, für ein friedliches Zusammenleben ein. Abseits von dieser Makro-Ebene liebe ich als Produzent – plump gesagt – auch einfach die Arbeit an den Maschinen, die ich verwende.

Wie würden Sie Ihre eigene Musik beschreiben?

Rother: Das würde ich gar nicht. Es ist nicht meine Aufgabe, meine Musik zu beschreiben. Meine Aufgabe ist einfach mit meinen Maschinen zu arbeiten und mein Leben in die Musik fließen zu lassen. Damit ich meiner Aufgabe gerecht werde, muss ich die Resultate auch unkommentiert lassen und diese Arbeit Leuten überlassen, die etwas davon verstehen.

Wenn Sie ihr neues Album mit einem bekannten Film vergleichen müssten – welcher wäre das hinsichtlich Dramaturgie, Spannungsaufbau, Tempo etc.?

Rother: Zurück in die Zukunft, natürlich der erste Teil.

Wie sind Sie auf die Idee für „Verbalizer“ gekommen?

Rother: Das großartige am Künstler-Dasein ist die Tatsache, dass man nie auf Ideen kommt, die Ideen kommen zum Künstler. Ich freue mich ehrlich gesagt sehr über diesen Umstand. Eine Antwort auf die Frage, wie die Ideen zu mir kommen, habe ich noch nicht gefunden. Ehrlich gesagt gibt es auch Fragen, die, wenn sie unbeantwortet bleiben womöglich mehr Wert haben. Ich glaube dazu gehört diese Frage.

Wie viel Aufwand steckt hinter der Produktion eines solchen Techno-Albums?

Rother: Den technischen Aufwand und die Zeit, die in „Verbalizer“ stecken, kann man natürlich irgendwie messen. Ich habe lange und ich habe wirklich akribisch und detailverliebt gearbeitet. Was aber überhaupt nicht quantitativ beziffert werden kann, ist die Intensität dieser Zeit und Arbeit. In dieses Album habe ich mein Leben reingeschüttet, ich habe mich ausgegossen, bis nichts mehr von mir übrig war.

Können Sie nachvollziehen, dass diese Art von Musik manchmal als monoton bezeichnet wird?

Rother: Das ist ja der Sinn der Sache.

Was halten Sie Leuten entgegen, die behaupten, solche Musik auch am heimischen Laptop machen zu können?

Rother: Ich sehe die Möglichkeiten, die man mit Software als Produzent heute hat, als eine logische Weiterentwicklung, die sich organisch aus der Arbeit von Techno-Produzenten entwickelt hat. Produzenten sind Technik-Nerds und Technik-Nerds und Programmierer sind sich schon immer nah gewesen. Die Arbeit der Techno-Produzenten hat die Laptop-Produktion in diesem Ausmaß erst überhaupt möglich gemacht. Mir persönlich ist der manuelle Umgang, das Haptische bei der Arbeit sehr wichtig. Daher ist für mich eben analoge Hardware unersetzlich. Das Gefühl, im wahrsten Sinne hier auch als Fingerspitzengefühl zu verstehen, das ich beim Arbeiten habe, beeinflusst ja auch das Resultat. Für mich ist dieser Arbeitsprozess optimal, nur mit dem Laptop zu arbeiten kommt eben wegen meiner eigenen Produktionsweise gar nicht in Frage.

Hätten Sie nicht mal Lust, ein kommerzielles Album zu machen?

Rother: Gerne, wenn es so klingt wie „Verbalizer“.

Können Sie eigentlich auch ein Musik-Instrument spielen?

Rother: Ich spiele alle möglichen Tasteninstrumente, da bin ich Autodidakt, der mit ganzem Herzen dabei ist. Meine Ausbildungen habe ich auf der technischen Seite genossen, ich bin voll ausgebildeter Toningenieur, Produzent und auch Kaufmann.

Bei all den elektronischen Klängen – mit welcher Musik entspannen Sie sich?

Rother: Ich mache zum Entspannen Experimentalmusik, da hat auch schon der Arbeitsprozess etwas sehr Entspannendes für mich. Klar, manchmal setze ich mich auch nur hin und höre einfach zu, das ist auch sehr wichtig. Letztlich besteht diese Musik auch aus elektronischen Klängen. Ansonsten bin ich ein riesiger Fan von Filmmusik und höre eben gerne die Werke von John Carpenter, Ennio Morricone und Hans Zimmer.

Welche Musik haben Sie als Jugendlicher gehört?

Rother: Pop, Electro und Kraftwerk.

Würden Sie Songs von Helene Fischer Remixen?

Rother: Wenn ich kein Dach überm Kopf hätte und keinen Krümel mehr zu essen, dann würde ich mir es womöglich überlegen.

Was sagen Sie zum Klischee, dass Techno-Jünger meist auf Droge sind?

Rother: Ein Klischee entspricht doch immer der Wahrheit!

In welcher Stadt pulsiert die Techno-/Electro-Szene und warum?

Rother: Auf der ganzen Welt und das aus gutem Grund!